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Der Rubin der Oger

Der Rubin der Oger

Titel: Der Rubin der Oger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbuelt
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mit großen Teilen ihrer Armee weiter ins Landesinnere gezogen.«
    Ins Landesinnere hörte sich nicht gut an. Osberg wäre einem Angriff fast schutzlos ausgeliefert. Der König hatte sämtliche Soldaten der umliegenden Städte angefordert, um der Ankunft der Elfen beizuwohnen. Ohne den König, seine Berater und mit nur der Hälfte der Lords lag Nelbor da wie ein offenes Buffet.
    »Wir müssen hier raus und zurück nach Osberg«, sagte er entschlossen. »Von dort aus können wir vielleicht Widerstand organisieren. Jedenfalls, wenn wir wissen, auf was sie es abgesehen haben.«
    Einer der Soldaten, seiner Uniform nach zu urteilen eine Gardewache aus Turmstein, stierte mit trübem Blick auf den Tisch. Mit einer Hand hielt er sich an einer Flasche hochprozentigem Rum fest.
    »Ich kann euch sagen, was sie vorhaben«, stammelte er. »Jeder, der eine Waffe trägt oder sich auf der Straße blicken lässt, wird niedergemetzelt. Alle anderen werden später abgeholt und versklavt. Die Barbarenstämme im Norden halten es genauso.«
    Der Mann war zu alt, um nicht zu wissen, wovon er sprach, und zu betrunken, um zu lügen. Dennoch durfte Lord Felton sein Gerede nicht dulden.
    »Und anstatt Euch den Weg freizukämpfen, sitzt Ihr lieber hier und betrinkt Euch? Was seid Ihr für ein Mann, der nicht für seine Freiheit einstehen will?«
    Der alte Soldat erhob sich, und es hatte den Anschein, als sei er doch nicht so betrunken, wie seine Stimme klang.
    »Wir haben es versucht, Eure Lordschaft. Wenn Ihr noch einmal einen Blick durch die Tür wagen würdet, fiele Euch bestimmt ein junger Soldat auf, der keine zwanzig Schritt von Euch auf dem Steg liegt. Gestern Nacht hat er versucht, zu entkommen und Hilfe zu holen. Weit ist er nicht gekommen. Er brach einfach zusammen, wie ein Sack Kartoffeln, und wenig später tauchte eine dieser Kreaturen auf und stach ihm mit einem Krummdolch in den Hals. Ich habe sein Verschwinden erst zu spät bemerkt, sonst lägen wir wohl beide dort draußen. Er ist mein Sohn. Aber wenn Ihr ein eigenes Kind habt, könnt Ihr es gern hinausbegleiten und sehen, was passiert. Oder – besser noch – Ihr schickt einen unbewaffneten, hilflosen Bürger, den sie töten können.«
    Es geschah nicht häufig, dass ein Bürgerlicher einem Adligen ein schlechtes Gewissen machen konnte, doch dieser alte Soldat schaffte es mühelos. Lord Felton fühlte sich nicht schuldig, schließlich hatte nicht er den Tod des Jungen verursacht. Dennoch hatte er das Gefühl, ein herzloser Tyrann zu sein.
    »Es tut mir leid. Trotzdem, er war ein Soldat und handelte wie einer.«
    »Und er ist als Soldat gestorben!«, schrie der Alte und schmetterte die halb volle Flasche Rum auf den Boden.
    Lord Felton beobachtete, wie der Alkohol zwischen den Bodenbrettern versickerte.
    »Dann lasst seinen Tod nicht umsonst geschehen sein und versucht mit mir, das Leben dieser Menschen zu retten.«
    »Verzeiht meinen Argwohn, Eure Lordschaft, aber habt Ihr vor, einen nach dem anderen vor die Tür zu schicken, bis unseren Feinden die Munition ausgeht? Oder habt Ihr noch einen anderen Plan?«
    Lord Felton verzieh dem Mann den respektlosen Unterton. Er schnappte sich einen Schürhaken, der neben einem alten Gussofen stand. Der alte Soldat wich einen Schritt zurück. Seine zusammengekniffenen Augen und die in Falten gelegte Stirn zeigten, dass er auf alles gefasst war. Er legte die Hand auf seinen Schwertknauf, als Felton das Eisen drohend erhob. Dann schnellte der Haken nach unten und bohrte sich tief zwischen die Planken des Fußbodens.
    »Wenn ich mich richtig erinnere, steht dieses Haus im Wasser. Wenn wir nicht durch die Vordertür entkommen können, müssen wir uns eben einen anderen Ausgang schaffen. Es wäre nett von Euch, wenn Ihr mit anfassen würdet«, sagte Felton.
    Der Alte hatte seine Verwirrung schnell überwunden und packte mit an. Ächzend löste sich das Holz. Zwei weitere Male setzten sie den Haken an, dann war die erste Planke beseitigt. In wenigen Minuten hatten sie einen Durchgang geschaffen, der breit genug war, um ihnen als Fluchtweg zu dienen. Vorsichtig steckte Lord Felton seinen Kopf durch die Öffnung. Die Wasseroberfläche lag fünf Fuß unter ihm. An einigen Stellen, wo sich Astlöcher in den Planken befanden, fielen schmale Streifen Tageslicht auf die seichten Wellen. Am Hafenbecken verdeckten die langen Schiffsrümpfe die Sicht auf das offene Meer. Die pechgetränkten Stützpfeiler wirkten wie ein düsterer Wald aus toten

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