Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
befreien ...«
Mit einem Ruck erhob sich Thut Thul Kanen. »Hast du auch etwas von einer kleinen Gruppe Fremder gehört, die erst seit kurzem in Meledin weilen? Und weißt du, ob sie auf einem der Schiffe mitfahren?«
Akim schüttelte ratlos den Kopf. »Davon ist mir nichts bekannt, Herr.«
Thut Thul Kanen stieß einen unverständlichen Fluch aus. Er riss das rot leuchtende Bündel, das am Boden lag, an sich und eilte zur Tür. Bevor er die Kontorhalle verließ, warf er Akim noch die Goldmünze zu, die er ihm versprochen hatte.
Der Junge fing sie gewandt auf. »Habt Dank, Herr!« Er ließ den Finger über das Siegel des Hochkönigs gleiten und prüfte die Münze mit den Zähnen auf ihre Echtheit. Es war tatsächlich ein wertvolles Stück. Woher der Südländer sie wohl hatte? Er steckte sie in den Beutel zu den anderen Geldstücken, die er im Lauf der letzten Tage erbeutet hatte. Höchst zufrieden machte er sich auf den Weg zum Diebesclan, der ihn in seinem Versteck erwartete.
17
Inmitten einer trostlosen Ebene der Grauen Sphären erhob sich ein Tempel aus schwarzem Basalt. Sechs mächtige Säulen stützten ein ausladendes Satteldach. In der Mitte des Daches befand sich eine kreisförmige Öffnung, durch die das spärliche Licht in einen düsteren Innenhof sickerte. Die Säulen waren vom Sockel bis hinauf zum Kapitell von einer feinen, goldenen Schrift und magischen Symbolen überzogen, die kunstvoll ziseliert waren.
In der Mitte des Hofs glühten Kohlen in einem eisernen Becken, das auf einem steinernen Altar stand. Die Flammen aus schwarzem Feuer, die darin loderten, saugten die restliche Helligkeit in sich auf und schufen ein Loch aus Finsternis.
Neben dem Becken stand der Bash-Arak, die Schwingen eng an den hageren Körper angelegt. Nur schwerlich war er als der mächtige Herr der Schatten zu erkennen. Seine gebeugte Gestalt flackerte wie eine Kerze im Wind und hob sich kaum vom dunklen Hintergrund der Säulen und Wände ab. Er schien tief in Gedanken versunken.
Tenans magisches Schwert hatte ihn in dem Kampf im Labyrinth so stark geschwächt, dass er sich schon mehrmals hierher in den Tempel Gogams, dem Gott des Schwarzen Feuers, zurückgezogen hatte, um den dunklen Flammen zu trinken, die ihm neue Kraft geben sollten. Frische Lebenskraft brauchte er dringender als alles andere. Er war unfähig, aus eigener Macht und ohne die Hilfe eines Weltentores nach Algarad hinüberzugehen, um nach dem Meledos zu suchen, ja, er konnte nicht einmal gewöhnliche Magie wirken. Seit er mit Achests Hilfe in die Grauen Sphären zurückgekehrt war, fand er erst allmählich zu seiner alten Stärke zurück.
Ungeduld erfüllte ihn, seine Heilung dauerte viel zu lange. Zum wiederholten Mal fragte er sich, wer die Zauberwaffe geschmiedet hatte, die ihn im Labyrinth verwundet hatte. Kein Volk in Algarad war zu solcher Magie fähig. Nur eines stand fest: Der Schmied war mit den Gesetzmäßigkeiten vertraut, denen die Unai, wie man die Schattenwesen in der alten Sprache nannte, unterworfen waren.
Irgendwann – die Zeit war auf dieser Ebene des Seins ohne Bedeutung – erwachte er aus seiner Versenkung und schwebte näher an das Kohlenbecken heran. »Ash agnar gul emblon ithrail«, murmelte er leise. »Das Schwarze Feuer erfülle meine Seele mit Kraft!« Er tauchte seine Klauenhände in die züngelnden Flammen. Sie ringelten sich an seinen Fingern und Handgelenken entlang und die Arme empor, aber sie verbranntenihn nicht. Mit den Handflächen schöpfte er Schwarzes Feuer und führte es zum Mund, schlürfte die Flammen gierig ein. Lange trank er davon, und während er es tat, richtete sich seine gebeugte Gestalt wieder auf. Neues Leben erfüllte seine geschwächten Glieder, das Flackern seiner Konturen schwand allmählich. »Dank sei Gogam, dem Gott des schwarzen Feuers«, flüsterte er und verbeugte sich vor dem Altarstein. Er würde dieses Ritual noch viele Male ausführen müssen, bis er seine frühere Stärke wiedergewonnen hatte.
Die Umrisse eines anderen Schattenwesens glitten aus der Düsternis der Tempelsäulen und verharrten demütig in gebührendem Abstand. Der Bash-Arak wandte sich langsam um, hob die Hände und hieß den Besucher mit einer segnenden Geste willkommen.
»Leargh, mein treuer Diener. Möge die Dunkelheit deine Seele erfüllen! Was hast du mir zu berichten?«
Der Schatten wagte es kaum, seinen Meister anzusehen, er starrte auf die rissigen Bodenplatten des Tempels. »Mein Herr«, begann er mit heiserer
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