Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
Euch abgekehrt haben und wieder in die Weißen Sphären aufsteigen wollen, aus denen sie ursprünglich kamen. Sie streben zurück ans Licht.«
»Verräter in den eigenen Reihen?« Der Bash-Arak spie den Satz voller Abscheu aus. »Ich werde sie in die tiefste Leere stürzen, wenn ich ihrer habhaft werde. Doch wie sollten sie einen Aufstand gegen mich anzetteln? Sie sind an die Grauen Sphären gebunden und meinem Willen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Keiner der Unai besitzt die Macht, ein Weltentor zu öffnen, um zu entkommen.«
»Ihr habt recht, Meister. Keiner der Schatten ist dazu fähig – aber vielleicht ein Mensch?« Er senkte den Kopf, um das Flackern in seinen Augen zu verbergen.
Der Bash-Arak bemühte sich, seinen inneren Aufruhr zu verbergen. Was wollte Leargh damit andeuten? Wusste er mehr, als er offen aussprach?
»Ich nehme an, Ihr kennt den alten Mythos vom Linethar«, sagte Leargh vorsichtig.
Allein die Nennung des Namens ließ den Bash-Arak unmerklich zusammenzucken. Linethar – so nannten viele den vermeintlichen Erlöser, von dem die alten Überlieferungen weissagten, er werde kommen, um die Schatten aus ihrer Verbannungzu befreien. Er kannte die alten Überlieferungen sehr wohl, aber er bemühte sich, ihnen nicht zu viel Bedeutung beizumessen. »Seit einiger Zeit halten sich Gerüchte, der Linethar werde bald erscheinen«, fuhr Leargh fort.
Der Bash-Arak machte eine wegwerfende Geste. »Das sind bloß alte Geschichten. Nur wenige glauben an diese Mythen und jagen einer verlorenen Hoffnung nach. Wer aber an die Existenz des Linethar glaubt, ist wider mich.«
»Es ist noch nicht lange her, da erstrahlten die Grauen Sphären in einer Präsenz, hell und klar wie eine Sonne, die die Ebenen mit einer ungewöhnlichen Kraft erfüllte. Dieses Ereignis rief bei vielen die Erinnerung an die uralte Prophezeiung wach, die vor tausend Jahren ausgesprochen wurde«, fuhr Leargh leise fort. »Es war, als habe der Linethar seinen Weg in die Grauen Sphären gefunden und sei gekommen, um die Unai zu befreien. Seitdem ist der Glaube an seine Wiederkunft unter den Schatten neu erstarkt. Viele Unai sind der Verbannung überdrüssig und streben in andere Bereiche des Seins; sie laufen Gefahr, Eure Sache zu verraten. Deshalb müsst Ihr diese Entwicklung so bald wie möglich aufhalten.«
»Geh und mach all jene ausfindig, die dem unsäglichen Mythos des Linethar Glauben schenken! Bring sie zu mir, damit sie die gerechte Strafe für ihren frevelhaften Verrat empfangen können«, befahl der Bash-Arak.
Ehrerbietig verneigte sich Leargh und wollte sich entfernen, doch sein Meister hielt ihn zurück. »Hast du eine Vermutung, woher diese Präsenz stammte, welche die Grauen Sphären erfüllte? Wer besitzt die Macht, die Grenzen zwischen den Sphären zu überschreiten?«
»Es war kein Magier von Dan, dessen bin ich mir sicher. Es gibt nur einen, der womöglich diese Macht besitzt, und Ihrwisst, wen ich meine. Ich selbst bin ihm damals auf Gondun begegnet und nahm die ungewöhnliche Aura der Magie in seiner Gegenwart wahr.«
Die Klauenhand des Bash-Arak zuckte unwillkürlich zu der Wunde an seiner Schulter, als habe er einen erneuten Schwertstich erhalten. »Du sprichst von dem Jungen, der den Kristall nach Meledin bringen sollte?« Er verfiel in nachdenkliches Schweigen und blickte versonnen in die dunkle Glut des Feuerbeckens. »Du glaubst, der Junge hat die Grenze überschritten? Wie konnte das geschehen? Kein gewöhnlicher Sterblicher kann in die Grauen Sphären vordringen, ohne ein Weltentor zu benutzen. Nur die Enim – verflucht sei ihr Name! – konnten aus eigener Kraft zwischen den Welten wandern, aber sie sind schon lange ausgelöscht.« Er starrte seinen Diener an, der den Blick stumm erwiderte. Beide wussten, was es bedeutete, wenn ihre Mutmaßungen zutrafen.
»Ich vermute schon seit geraumer Zeit, dass der Junge über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt«, sagte der Bash-Arak leise. »Sei also weiterhin wachsam und beobachte ihn. Erstatte mir Bericht, sobald du etwas über ihn herausgefunden hast oder er sich wieder in den Grauen Sphären aufhält.«
18
Thut Thul Kanen war es gelungen, auf einer wuchtigen Galeere, einem der letzten Kriegsschiffe, das noch im Hafen lag, als Söldner und Ruderer anzuheuern. Das war leichter gewesen, als er gedacht hatte. Er hatte zunächst befürchtet, man würde einem Südländer gegenüber misstrauisch sein,doch im Hafen traf man – anders als innerhalb der
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