Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
bildete einen Durchgang zwischen den Welten und ermöglichte es den Schattenwesen, aus den Grauen Sphären nach Algarad zu gelangen. Der Bash-Arak plante, ein gewaltiges Schattenheer in der Welt der Sterblichen zu errichten, wobei ihm der Kristall behilflich sein sollte. Wenn das geschah, würden die Gredows früher oder später durch die Schattenkrieger ersetzt werden, die listenreicher und gefährlicher als jene waren; das Zeitalter der Gredows wäre dem Untergang geweiht – und mit ihm auch Drynn Durs eigene Existenz.
Der Anführer der Gredows hasste und fürchtete den Herrscher der Schatten. Noch war die Suche des Bash-Arak nach dem Kristall ergebnislos geblieben, aber es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis er ihn entdeckte und mit der Verwirklichung seiner Pläne begann.
Seitdem der machtvolle magische Stein aus der Festung Achests geraubt worden war, hatte der Todesfürst alles versucht, um wieder in seinen Besitz zu gelangen. Er war nicht einmal davor zurückgeschreckt, die Insel Gondun anzugreifen, und hatte damit einen Krieg mit dem Hochkönig in Kauf genommen. Aber der Kristall blieb verschollen, obwohl die Gredows die gesamte Insel abgesucht hatten. Es hieß, ein junger, unbedarfter Wasserzauberer namens Tenan habe den Meledos an sich gebracht und sei zusammen mit einigen Gefährten über das Narnen-Meer entkommen. Der Junge war nicht nur Drynn Dur und seinen Dronth-Brechern entschlüpft. Auch dem Bash-Arak mit all seiner vermeintlichen magischen Macht war es nicht gelungen, den Meledos zurückzubringen, was den Admiral immerhin mit grimmiger Genugtuung erfüllte.
Drynn Dur wischte unwillig mit der Pranke über den Tisch. Ein derart schwerwiegender Fehler durfte ihm jedenfalls nichtnoch einmal passieren, wollte er die Gunst seines Herrn nicht verlieren. Achest Todesfürst bestrafte Versagen mit aller Härte. Drynn Dur konnte von Glück sagen, dass Achest ihn trotz der bisherigen Misserfolge mit der Aufgabe betraut hatte, die Schwimmende Festung zu finden und das Geheimwissen der Dan-Ritter an sich zu bringen. Nun galt es, in diesem Spiel der Macht den nächsten Zug zu tun und Garadin mit einem schnellen, harten Schlag zu vernichten.
3
Die Etana, ein schlank gebauter, wendiger Zweimaster, schaukelte unruhig im Hafenbecken Meledins und zerrte an den Tauen, mit denen sie am Kai befestigt worden war. Schon seit Tagen gingen herbstlich-kalte Regenschauer über der Stadt nieder, überfluteten die Gassen und Straßen und durchnässten jeden innerhalb kürzester Zeit bis auf die Knochen, weshalb sich nur die Wenigsten nach draußen wagten.
Tenan und seine Gefährten standen in dicke Umhänge und Mäntel gehüllt an einer Kaimauer und spähten unter ihren Kapuzen fröstelnd zu dem neuen Schiff Kapitän Harrids. Nur Urisk, der pelzige Waldgeist, trug keinen Schutz gegen den Regen, sein dichtes, zerzaustes Fell, das mit Blättern und kleinen Zweigen gespickt war, wärmte ihn ausreichend und hielt die Nässe fern. Sein Gestank nach feuchtem Wolfshund versetzte allerdings niemanden in der Nähe in Entzücken. Glücklicherweise turnte er gerade irgendwo in den Rahen des Schiffes herum und genoss die Aussicht von dort oben.
»Die Etana bockt auf den Wellen wie ein junges Pferd, daszugeritten werden soll«, brummte Kapitän Harrid und kreuzte die Arme vor seinem gewaltigen Brustkasten. Die Eisenbänder, die er über den Ärmeln seines weiten weißen Hemdes trug, klirrten bei jeder Bewegung. Sein rotbärtiges Gesicht, das von Narben gezeichnet war, und sein kahler Schädel glänzten in Erwartung der baldigen Abfahrt. »Sie scheint mir zu leicht für den schweren Seegang, der uns weiter südlich erwartet, sobald wir das Meer der Stille hinter uns gebracht haben.«
Chast, sein alter Freund und Weggefährte, kicherte und drückte seine Kappe fester auf das flachsblonde Haar. »Ich glaube, die Etana spürt nur deine eigene Unruhe. Seit Tagen redest du ja von nichts anderem mehr als der Fahrt nach Süden. Gib doch zu, du brennst darauf, endlich wieder in See zu stechen.«
Der ehemalige Kesselflicker Chast blickte äußerst zufrieden drein. Sein wiedergewonnener Rang als Dan-Ritter und Botschafter des Hochkönigs erfüllte ihn augenscheinlich mit Stolz. Er hatte seine schäbigen Kleider schon seit einigen Tagen abgelegt und trug nun mit Würde den blauen, wenngleich im Moment völlig durchnässten Umhang mit den Insignien des Hochkönigs: einem aufrecht stehenden Schwert vor den Strahlen der untergehenden
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