Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
etwa zwanzig Meter von ihr entfernt auf einem Felsblock. Er deutete auf den Himmel über ihnen.
»Jella, wir müssen die Pferde festhalten«, rief er ihr zu und sprang mit einem Satz von dem Felsen. Jella rappelte sich hoch, aber es war bereits zu spät. Fritz’ Wallach hatte den Ausgang der Schlucht entdeckt und trabte darauf zu. Die Stute folgte ihm nervös. Bevor Jella nach ihren Zügeln greifen konnte, war sie dem Wallach hinterhergestürmt. Im gleichen Augenblick ertönte ein Donnerschlag, der tausendfach in den Felsen über ihnen widerhallte. Jella schrak zusammen und blickte nach oben. Das heitere Felstal war mit einem Mal von Schatten überzogen. Dunkle, bedrohliche Wolken ballten sich über ihnen zusammen, türmten sich zu ambossartigen Wolkenkolossen und kündigten ein heftiges Unwetter an. Fritz sammelte in aller Eile die Decke und die Reste des Picknicks ein und stopfte sie in die Tasche.
»Wir müssen so schnell es geht hier raus«, rief er. »Das Tal wird sich bei Regen in einen reißenden Strom verwandeln.«
Seine Stimme klang besorgt, denn es war ein gutes Stück Fußweg bis zum Ausgang der Schlucht. Unvermittelt setzte ein kräftiger, böiger Wind ein, verwirbelte sich am Fuß des Riviere und türmte sich schließlich zu einer furchteinflößenden Windhose auf, die sich ihnen mit unglaublicher Geschwindigkeit näherte.
»An die Felswand«, brüllte Fritz, stürmte auf sie zu, packte ihren Arm und riss sie mit sich an den Fuß der Felswand, über der sich der Felsvorsprung befand. Die Windhose zog wie ein aufgeblähter Schlauch an ihnen vorüber, entwurzelte Bäume, wirbelte
sie wie einen Aufzug nach oben und trug ihre Beute mit sich fort. An der Felswand mit dem Ausgang aus dem Tal brach sie sich und löste sich auf. Die mitgetragenen Äste, Stämme und Zweige regneten wie Geschosse herab und verbarrikadierten den einzigen Ausgang aus dem Tal. Fritz und Jella sahen es mit Entsetzen. Der Rückweg war ihnen nun versperrt. Es würde Stunden dauern, ihn wieder freizubekommen. Im gleichen Augenblick setzte Regen ein. Es war, als schütte jemand Wannen voller Wasser über ihnen aus. Innerhalb von Sekunden waren sie beide bis auf die Haut durchnässt.
»Wir müssen nach oben klettern!«
Fritz hielt immer noch ihren Arm umklammert und zog sie mit sich fort. Er suchte nach einem geeigneten Aufstieg, doch dazu mussten sie ein Stück zurück. Mittlerweile füllte sich das Flussbett des Riviere. Jella hätte es nie für möglich gehalten, dass sich ein doch recht weitläufiges Tal so schnell mit Wasser füllen konnte. Panik ergriff sie, als das Wasser bereits bis an ihre Knöchel stieg. Endlich hatte Fritz einen geeigneten Aufstieg gefunden. Dazu mussten sie zuerst einen zwei Meter hohen, glatten Felsblock erklimmen. Fritz umklammerte mit beiden Armen Jellas Hüfte und hob sie trotz seiner Behinderung scheinbar mühelos in die Luft. Jella griff nach dem Felsrand und zog sich hinauf. Auf dem Bauch liegend half sie wiederum Fritz, der nach einem Sprung mit seiner gesunden Hand Halt gefunden hatte. Sie packte seinen Armstumpf und zog daran, bis auch er bei ihr angelangt war. An seinem schmerzverzerrten Gesicht konnte sie erkennen, wie weh sie ihm dabei getan haben musste. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie sich berührt hatten.
»Danke«, meinte er nur und rappelte sich auf. Ein schmaler Pfad tat sich in der regennassen Luft vor ihnen auf. Er führte entlang der Felswand steil nach oben. Auf der rechten Seite ging es steil bergab.
»Schauen Sie nicht nach unten«, brüllte Fritz durch den prasselnden Regen und marschierte voraus. Sein gut gemeinter Ratschlag erwies sich als Fehler, denn erst jetzt erkannte Jella, auf was für eine Kletterpartie sie sich einließ. Sie versuchte ihm zu folgen, doch ihre Knie fühlten sich mit einem Mal butterweich an. Sie hatte das Gefühl, als fehlten ihren Beinen die Knochen. Der Pfad war keinen halben Meter breit, noch dazu rutschig. Sie biss sich auf die Unterlippe und überlegte, einfach stehenzubleiben. Doch das Wasser im Tal stieg unaufhörlich, und der Regen prasselte mit einer Heftigkeit auf ihre Haut, dass es schmerzte.
»Nun kommen Sie schon! Sie schaffen das!«
Fritz war nochmals zurückgekehrt, um sie zu ermuntern. Bibbernd vor Angst stellte sich Jella mit dem Rücken an die Felswand und hielt mit beiden Händen Kontakt zu ihr. Mit seitlichen Schritten tastete sie sich langsam vorwärts, immer bemüht, den Blick nicht nach unten gleiten zu lassen. Fritz
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