Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
nicht.«
»Das wäre doch ein guter Anfang! Hier gibt es weit und breit niemanden, der auch nur das Geringste von Krankheiten und Pflege versteht. Außerdem kennen Sie sich doch auch mit dem Mischen von Arzneien aus«, mischte sich Fritz ein. Auch er schien sich mit Imeldas Idee anzufreunden.
»So?« Jella runzelte die Stirn. »Hatten Sie nicht erwähnt, dass Sie Veterinär sind? Warum helfen Sie den Leuten nicht?«
Fritz’ Gesicht überzog eine leichte Röte. Mit einer linkischen Bewegung schob er seinen verkrüppelten Arm auf den Tisch und deutete darauf.
»Deshalb«, brummte er verstimmt. »Oder können Sie sich vorstellen, dass ich mit einem Arm operieren kann?«
Er sah sie trotzig an. Seine Kiefermuskeln waren angespannt. Jella sah betreten weg. Sie hätte vor Scham im Boden versinken können. Wie hatte sie nur so taktlos sein können!
»Bitte entschuldigen Sie«, murmelte sie leise. »Das war nicht besonders feinfühlig.«
»Schon gut.« Fritz hatte sich wieder in der Gewalt. »Sie können schließlich nichts dafür.«
»Sie wären trotzdem genau die richtige Person!« Imelda ließ nicht locker. »Sie sind Krankenschwester, und Sie sind eine starke Frau. Die Leute hier in der Gegend werden Vertrauen in Sie haben. Das weiß ich.«
Jella fühlte sich geschmeichelt, ja berührt. Imelda van Houten hatte sie im Gegensatz zu ihrem Sohn wohl wirklich in ihr Herz geschlossen, sonst hätte sie ihr nicht dieses großzügige Angebot gemacht. Trotzdem sträubte sich noch etwas in ihr. Ihr Blick streifte Fritz, der scheinbar unbeteiligt in seinen Papieren etwas suchte. Wollte er auch, dass sie blieb? Sie wünschte, er würde sie auch nochmals auffordern zu bleiben. Aber Fritz schwieg. »Lassen Sie mir noch etwas Zeit«, bat sie schließlich. »Das alles hier ist noch so neu für mich. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich für immer in Afrika bleiben werde. Davon abgesehen habe ich das Bedürfnis, erst einmal die Sache mit meinem Vater für mich abzuschließen.«
Buschmanns Paradies
Jella ließ sich gern überreden, ein paar Tage länger im Hause der van Houtens in Okakarara zu bleiben. Imeldas herzliches Wesen und Fritz’ zurückhaltende, aber zuvorkommende Art taten ihr gut. Sie genoss die Zeit und packte mit Begeisterung bei den Arbeiten im und am Haus an. Dabei half sie bei der Versorgung der Wildtiere genauso wie im Laden. Mit den ersten Sonnenstrahlen stand sie auf und schlich, um niemanden zu wecken, in die Küche, um ein paar Abfallreste zu holen, und machte sich dann auf den Weg zu den Tieren. Wie gewöhnlich kam ihr Duikduik, die kleine Antilope mit den drei Beinen, entgegen und fiepte leise. Jella reichte ihr ein wenig Möhrengrün, das ihr Duikduik mit zarten Lippen aus den Händen fraß. Mittlerweile kam auch der General vertrauensvoll auf sie zu. Die ersten Tage hatte er sie weiterhin misstrauisch beobachtet und in ihr nur eine lästige Konkurrenz um Fritz’ Zuneigung gesehen. Aber dann hatte sie herausgefunden, dass der Pavian Mongono-Nüsse noch mehr liebte als die Früchte des Anabaums, sie aber aufgrund seines Alters nicht mehr selber knacken konnte. Also hatte sie einige der Nüsse gesammelt und mit dem Hammer aufgeschlagen. Die Kerne hatte sie dem Affen auf ihrer Hand angeboten. Der Pavian beäugte ihr Vorgehen neugierig. Zwar fletschte er drohend die Zähne, kam aber ein kleines Stück näher. Jella begriff, dass er ihr noch nicht ganz vertraute. Also legte sie die Nüsse auf den Boden und wich dann schnell ein paar Schritte zurück. Der Affe wartete, bevor er
mit einer raschen Bewegung nach dem Angebotenen griff und es sich schnell in sein Maul stopfte. Jella war zufrieden. Am nächsten Tag wiederholte sie ihr Spiel, am dritten Tag blieb sie neben den Nüssen stehen und am vierten Tag reichte sie sie ihm aus der Hand. Von da an waren sie Freunde.
Leopold war ohnehin von Jella begeistert. Das blinde Zebra liebte altes Brot und wusste bereits, dass sie immer etwas davon bei sich trug. Obwohl das Zebra nichts sah, steuerte es zielgenau auf sie zu. Sie musste nur aufpassen, dass das Tier sie nicht aus Versehen umrempelte. Nachdem sie es ausführlich gestreichelt hatte, begab sie sich zu ihrem Liebling, dem kleinen Leoparden. Bestimmt erwartete er sie schon ungeduldig in seinem Gehege. Pascha schien jeden Tag zu wachsen. Der kleine Kerl wurde immer lebhafter und wilder. Doch heute stand die Gehegetür offen. Jella befürchtete schon, dass der Leopard ausgebüchst sein könnte, aber dann
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