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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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Fritz erkannte, hellte sich ihre Miene etwas auf.
    »Der Herr kommt, um die junge Herrin zu befreien?«, fragte sie hoffnungsvoll.
    »Wie kommst du darauf?«, fragte er misstrauisch.
    Nancy zog bekümmert die Schultern nach oben.
    »Fräulein Jella wird hier nicht gern gesehen«, raunte sie. »Herrin Lucie hat sie gestern Abend eingesperrt.«
    Fritz erschrak.
    »Wo ist sie?«
    Nancy begann plötzlich zu weinen. Sie hob flehend die Hände, um Fritz zu bitten, sie nicht bei Lucie für diese Information zu verraten.
    »Herrin Lucie ist herzlos«, jammerte sie. »Wenn ich Stellung verliere, müssen meine Kinder und ich hungern.«
    »Nun beruhige dich doch! Du wirst deine Stellung schon nicht verlieren. Verrate mir lieber, wo sie Fräulein Jella eingesperrt haben und wo diese Lucie und der Vorarbeiter sind.«
    In Fritz’ Ohren klingelten sämtliche Alarmglocken.
    »Ich weiß es nicht, Herr, wirklich nicht! Die Herrschaft hat mich gestern Abend plötzlich nach Hause geschickt. Aber ich habe gehört, wie Fräulein Jella und Herrin Lucie einen bösen Streit hatten. Einen ganz bösen, wirklich!«
    Sie sah sich um, als könne jemand von der Herrschaft sie hören.
»Samuel hat mir verraten, dass Grünwald Jella gebunden und eingesperrt hat.«
    »Um Gottes willen, verrat mir endlich, wo deine Herrin ist!«
    »Samuel sagt, dass drei Pferde aus dem Stall fehlen. Herrin Lucie habe ich heute noch nicht gesehen.«
    Fritz ließ Nancy stehen und rannte hinaus. Die Schutztruppensoldaten hatten mittlerweile das gesamte Farmgelände durchsucht und waren zu dem gleichen Ergebnis wie Fritz gekommen. Es fehlten drei Pferde, und weder von Jella noch von den Greenwoods war irgendetwas zu sehen.
    Verzweifelt riss sich Fritz seinen Hut vom Kopf und warf ihn vor sich in den Staub. Ihm war zum Heulen zumute.
     
    Die Sonne brannte mittlerweile unerbittlich auf die drei Reiter hinab. Jellas Zustand war erbärmlich. Sie dämmerte zwischen Besinnungslosigkeit und verzerrter Wahrnehmung hin und her. Die Geräusche der savannenartigen Landschaft schwollen zu einem lauten Crescendo an, selbst das Scharren der Insekten und das Fiepen eines Erdhörnchens klangen schrill und schmerzhaft in ihren Ohren. Lucie und Grünwald führten ihr Pferd hinter sich her am Zügel. Sie saß darauf wie ein nasser Sack, zusammengesunken und kraftlos. Wären die Fesseln nicht gewesen, wäre sie schon längst hinuntergefallen. Der Tod hatte mit einem Mal seinen Schrecken für sie verloren. Wahrscheinlich wird er sogar eine Erlösung sein, dachte sie immer wieder und überließ sich schließlich dankbar einer neuen kurzen Ohnmacht.
    Das Nächste, was sie mitbekam, war, dass jemand sich an ihren Fesseln zu schaffen machte. In dem Moment, da sie vollständig gelöst waren, fiel sie vom Pferd; Grünwald ließ sie ungebremst fallen. Jella blieb liegen. Sie war viel zu erschöpft, um einen Fluchtversuch zu wagen. Der Aufprall war heftig gewesen, aber nichts im Vergleich zu dem Schmerz, den sie immer noch in ihrem Kopf
fühlte. Sie spürte, wie sie weggeschleift wurde. Grünwald lehnte sie mit dem Oberkörper an einen Felsen und träufelte ihr nochmals etwas Wasser ein. Gierig öffnete Jella die Lippen und schluckte unter Schmerzen das kostbare Nass. Dieses Mal gönnte ihr Grünwald genügend, dass sie wieder zu sich kam. Ihre verzerrte Wahrnehmung rückte sich zu einem klaren Bild zurecht, und sie wagte sogar, sich ein wenig umzusehen.
    Offensichtlich hatten die beiden beschlossen, über die Zeit der glühenden Mittagshitze eine längere Rast zu machen. Während sie Jella im Halbschatten des Felsens zurückgelassen hatten, waren die beiden auf eine kleine Anhöhe gestiegen, die von ein paar Mopanebäumen dicht beschattet war. Dort hatten sie sich auf ihren Satteldecken niedergelassen. Sehnsuchtsvoll sah Jella, wie sie aßen und etwas tranken. Sie wusste nicht, wann sie das letzte Mal einen vollen Magen gehabt hatte. Das Knurren ihres Magens wurde plötzlich so laut wie das Brüllen eines Löwen. Es klang schaurig in ihren Ohren, auch wenn niemand außer ihr es hören konnte.
    »Bitte gebt mir auch etwas ab!« Jellas Lippen formten die Bitte lautlos. Trotzdem schämte sie sich dafür.
    Doch Lucie und Grünwald beachteten sie gar nicht. Sie waren wieder in ein Gespräch vertieft, das fetzenartig zu ihr hinüberdrang. Der Inhalt interessierte Jella längst nicht mehr. Die beiden hatten alles gewonnen, während sie alles verloren hatte, ohne es jemals besessen zu haben. Aber was

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