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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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ich dir gesagt habe.«
    Jella sah Lucie plötzlich mit anderen Augen. Sie fühlte merkwürdigerweise keinen Hass mehr auf diese Frau, die ihren Vater auf dem Gewissen hatte, sondern nur noch grenzenlose Verachtung. Lucie begegnete ihrem Blick irritiert. Für einen Augenblick zeigte sie sogar Unbehagen. Dann straffte sie ihren Körper, um ihre Überlegenheit zu demonstrieren.
    »Ich sehe dich schon um Gnade winseln, wenn du dem Tod endgültig gegenüberstehst.«
    »Den Gefallen werde ich euch wohl kaum tun«, zischte Jella mit zusammengebissenen Zähnen. Es waren nicht Lucies Sticheleien, sondern ihr Kopf, der ihr Unbehagen bereitete. Er fühlte sich an, als würde er jeden Augenblick explodieren. Außerdem war ihr schwindlig und übel. Ihre Hände krallten sich an den Sattelknauf, als sie sich selbstständig auf den Rücken des ihr zugewiesenen Pferdes hinaufhieven wollte. Sie scheiterte mehrere Male, weil sie in gefesseltem Zustand keinen Hebel fand, um sich hinaufzuziehen.
Erst als Grünwald ihr von hinten einen Schubs gab, blieb sie im Sattel sitzen. Sie bezweifelte allerdings, dass sie sich lange würde oben halten können. Doch Grünwald band sie dort fest. Ihre zusammengebundenen Hände befestigte er am Sattelknauf und die Beine fixierte er unter dem Bauch ihres Pferdes. Wenn es dem Pferd gefiel, sich hinzulegen, würde sie zweifelsohne von seinem Gewicht zerquetscht werden.
     
    »Aufsitzen zum Weiterritt!« Leutnant Bausch gab lustlos den Befehl. Ihm und seinen Männern steckte die Müdigkeit in den Gliedern. Fritz hatte ihnen nur eine kurze Pause vergönnt, und es war noch einige Zeit hin bis zum Sonnenaufgang. Nur unwillig machten sich die Soldaten daran, seinem Befehl zu gehorchen. Fritz saß längst auf seinem braunen Wallach. Seine Ungeduld stand ihm mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben. Die Sorge um Jella hatte ihn keine Sekunde schlafen lassen. Was, wenn sie zu spät kamen? Wieder stiegen die dunklen Erinnerungen an den Burenkrieg in ihm auf. Wenn er damals nicht so überheblich gewesen wäre und schneller reagiert hätte, dann wäre sein Vater noch am Leben und er selbst hätte seine Hand nicht verloren. Es kostete ihn Kraft, die Vergangenheit wieder in ihre Versenkung zu drücken.
    Ohne auf die Männer zu warten, setzte er sein Pferd in Bewegung und ritt schon mal voraus.
    Der Klang der Pferdehufe wurde durch den weichen Wüstensand gedämpft, sodass außer dem gelegentlichen Pferdegeschnaube nur die Geräusche der Savanne zu hören waren. Eine Eule stieß ihren unheimlichen Schrei aus, eine Hyäne gab ihr irres Gelächter von sich, und in der Ferne hörte man das laute Brüllen von Löwen. Kurze Zeit später hörte Fritz das gedämpfte Getrappel der anderen Pferde. Die Soldaten gaben sich Mühe, zu ihm aufzuholen, mürrisch und schweigsam, aber immerhin willens, ihm zu folgen. Es dauerte fast zwei Stunden, bis sich die
Sonne im Osten erhob. Am Horizont erschien ein sattes Orange, das sich langsam ausbreitete und den Himmel mit einem unwirklichen Licht überzog. Es war der Zauber der Veränderung, zwischen dem Dunkel der Nacht und der gleißenden Helligkeit des Tages. Für einen Moment schien es ganz still zu sein, bevor die Vögel der Buschsavanne mit ihren schrillen Tönen den Einzug des Tages verkündeten. Kurz darauf hellte sich das satte Orange auf, wurde gelber, ließ etwas blauen Himmel sehen, bevor es dem Tag endgültig Platz machte. Selbst in seiner Sorge konnte sich Fritz diesem Augenblick nicht verschließen. Vor ihm tauchte das Massiv des Waterbergs auf. Violett blau erhob er sich mit seinen schroffen, felsigen Abhängen, vor dem sich ein dunkelgrüner, fast urwaldartiger Grüngürtel hinzog. In etwa einer Stunde würden sie Owitambe erreichen.
     
    Unerbittlich gab Grünwald ein zügiges Tempo vor. Weder ihn noch seine Frau kümmerte es, dass Jella sich kaum auf ihrem Pferd halten konnte. Immer wieder fiel sie in eine kurze Ohnmacht und sackte zur Seite. Lediglich ihre Fesseln hielten sie auf dem Pferderücken. Ohne Kopfbedeckung war sie bald der gleißenden Sommerhitze ausgesetzt sein, die wie ein Strahlfeuer auf sie nieder brannte. Ihre Gedanken begannen sich zu verwirren. Sie sah ihre Mutter vor sich, wie sie sterbend in ihrem Bett gelegen hatte, ihren Großvater, wie er sie mit aller Macht auf seine Seite ziehen wollte, Fritz mit unendlich traurigen Augen, weil sie ihn verlassen hatte. Dann tauchten vor ihrem inneren Auge wieder die Hyänen auf, deren Opfer sie um ein Haar

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