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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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Luft stieg als wabernde Nebelschwaden vom Boden auf. Mit steifen Knochen erhob sie sich von ihrem unbequemen Nachtlager und reckte und streckte ihre Gliedmaßen. Sie konnte nicht viel erkennen, denn die dichten, gleichmäßigen Regentropfen fielen wie graue Schleier vom Himmel. Erst jetzt fiel ihr auf, dass ihre Retterin gar nicht mehr bei ihr war. Für einen kurzen Augenblick befürchtete sie, dass sie einfach verschwunden sein könnte, aber ihre Befürchtungen waren grundlos. Nur kurze Zeit später tauchte
die kleine Buschmannfrau aus dem Grau der Umgebung wieder auf und schlüpfte zu ihr unter den einigermaßen trockenen Felsüberhang. Sie hatte, während Jella geschlafen hatte, Feuerholz gesammelt und war dann losgezogen, um nach etwas Essbarem zu suchen. Die Regentropfen glänzten auf ihrem braunen Haar und fingen sich als schimmernde Perlen in den winzigen Zöpfchen. Ihr nasses Gesicht strahlte, als sie Jella die Hände hinstreckte, auf denen etwa ein Dutzend quicklebendiger Raupen krabbelten.
    »Das meinst du nicht im Ernst«, entsetzte sich Jella, Schlimmes ahnend.
    Nakeshi nickte und rieb sich mit der Hand über den Bauch. Dann nahm sie mit zwei Fingern eine der braunen Raupen, steckte sie sich genüsslich zwischen die Zähne und kaute darauf herum. Mit einer freundlichen Kopfbewegung bot sie nun Jella ebenfalls eine an. Die zögerte. In ihrem Bauch rumorte es wild. Sie hatte schon seit zwei Tagen nichts mehr gegessen. Aber lebendige Raupen, nein, das brachte ein zivilisierter Mensch, wie sie es war, einfach nicht über sich. Angewidert schüttelte sie den Kopf. Nakeshi bedachte sie mit einem erstaunten Blick, akzeptierte aber ihre Entscheidung. In aller Ruhe machte sie sich daran, das Feuer zu entzünden. Dazu nahm sie zwei Hölzer aus ihrem Umhängetäschchen und dazu einige fein zerrissene Sisalfasern. Während sie die Hölzer schnell aneinanderdrehte, pustete und sang sie abwechselnd dazu beschwörende Formeln, die sich ständig wiederholten. Als sich ein schmales Rauchfähnchen zeigte, schob sie etwas Sisal dazwischen und pustete erneut. Wenig später hatte der Sisal sich entzündet. Mit geübten Handgriffen schob sie kleinere Zweiglein nach und fütterte ihr kleines Feuer. Jella staunte über die Geschicklichkeit ihrer Freundin. Sie kam sich neben ihr so hilflos und dumm vor. Ohne die Buschmannfrau wäre sie in der Wildnis hoffnungslos verloren gewesen. Voller Achtung und Bewunderung für ihre Fähigkeiten entstand in Jella der Wunsch, mehr von den Geheimnissen
und Bräuchen dieses seltsamen Wüstenvolkes kennenzulernen. Als Nakeshi jedoch als Nächstes die tote Puffotter aus ihrer Tasche zog und sich daranmachte, sie zu häuten und ihr den Kopf abzutrennen, zweifelte sie daran, ob sie jemals diese fremden Sitten würde verstehen können. Offensichtlich betrachtete ihre Freundin dieses widerliche Reptil als Mahlzeit. Wie abscheulich! Allein der Gedanke daran schüttelte Jella. Immerhin hatte dieses Biest sie um ein Haar getötet! Nakeshi spießte die Schlange der Länge nach auf einen Stock und begann sie dann in aller Seelenruhe über dem Feuer zu rösten. Jella hatte damit gerechnet, dass die Schlange nun erbärmlich zu stinken anfangen würde, aber zu ihrer großen Verblüffung verbreitete sie einen herrlich nussigen Geruch. Das Fleisch wurde heller und schließlich knusprig braun. Mit etwas Fantasie sah es aus wie gebratenes Huhn. Sie ertappte sich dabei, wie sie sich genüsslich mit der Zunge über die Lippen fuhr. Ob sie vielleicht doch...?
    Nein! Kein zivilisierter Mensch tat so etwas!
    Aber wenn sie nichts aß, dann würde sie nie zu Kräften kommen.
    Was aber, wenn Schlangenfleisch giftig war?
    Dann würden die Einheimischen es nicht essen!
    Solcherlei Gedanken schossen ihr wie Pfeile durch den Kopf. Als Nakeshi ihr schließlich ein Stück von der Schlange anbot, griff Jella zu. Der leckere Geruch ließ sie alle Skrupel überwinden. Voller Appetit grub sie ihre Zähne in das zarte, helle Schlangenfleisch und aß es mit Appetit. Wenn man sie in diesem Augenblick gefragt hätte, was ihre Lieblingsspeise sei, dann hätte sie ohne zu zögern geantwortet, dass diese Schlange das Köstlichste gewesen war, das sie jemals gegessen hatte. Nakeshi blieb unterdessen nicht untätig. Sie hatte in die Erde kleine Mulden gegraben und darin gegerbtes Leder gelegt. Darin sammelte sie das kostbare Nass, dass ihnen der Himmel schenkte. Anschließend füllte sie die Flüssigkeit in das Straußenei, das sie

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