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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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schnappte Jella spitz. »Mir wäre lieber, Sie bleiben mir vom Leib!« Obwohl es sehr eng war, rückte sie demonstrativ von ihm ab. Unterdessen wurde die dicke Emmy unter dem begeisterten Johlen und obszönen Rufen des Publikums wieder hinausgeschoben, worauf Sammy le Petit an der Hand eines zwei Meter vierzig großen Riesen wieder die Bühne betrat. Der Größenunterschied zwischen den beiden war wirklich gigantisch. Sammy reichte dem Riesen, der sich bücken musste, um seine Hand zu halten, gerade mal bis über sein Knie. Der Zwerg behauptete, dass Alberto Grosso der Nachfahre des berühmten Riesen Goliath sei, der einst von David mit einem Stein gefällt worden war. Im Gegensatz zu seinem Vorfahren sei Alberto zwar
stark wie ein Bär, aber so gutmütig wie eine Schmusekatze. Jella musste lachen. Doch blieb ihr das Lachen im Laufe der nächsten Nummern immer öfter im Halse stecken. Sie begriff, dass man diese bemitleidenswerten Menschen mit ihren Missbildungen nur ausnutzte, um mit ihnen Geld zu verdienen. Jeglicher Respekt ging im Laufe der vergnüglichen Begaffung verloren. Sicherlich bekamen sie nur einen Hungerlohn von den geldgierigen Veranstaltern. Auf der anderen Seite fanden die von der Gesellschaft Ausgestoßenen hier auf dem Rummelplatz eine Familie von Gleichgestellten. Andernfalls wären sie wohl in Heimen für geistig Kranke untergebracht worden. Gerade verließ das Löwenmenschenkind Leopold die Bühne. Der etwa zehnjährige Junge war am ganzen Körper behaart. Selbst sein Gesicht war bis auf die Augen mit einem mehrere Zentimeter langen Fell bewachsen. Sammy le Petit hatte mit vor Grauen gepackter Stimme verkündet, dass Leopold sein Schicksal, halb Mensch, halb Löwe sein zu müssen, nur deshalb erlitten hatte, weil seine Mutter in ihrer Schwangerschaft mit angesehen hatte, wie sein Vater von einem Löwen zerrissen worden war.
    Die letzte Nummer sollte schließlich die Hauptattraktion sein. Wieder wurde Jella von dem aufdringlichen Kerl neben ihr angestupst. »Wenn Sie bei der nächsten Nummer in Ohnmacht fallen, was mich nicht wundern täte, dann fang ich Sie auf!« Sein Gesicht verzog sich zu einem anzüglichen Zahnlückengrinsen. Jella warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Dann wurde ihre Aufmerksamkeit von einem Mann in dunklem Anzug und schwarzer Weste in Anspruch genommen. Seiner Haltung nach zu urteilen war er vor Kummer gebeugt. Er ging augenscheinlich in Trauer. Sammy le Petit bat um Ruhe. Auch er schien ergriffen zu sein. Jedenfalls zog er aus seiner Weste ein viel zu großes Taschentuch heraus und schnäuzte sich lautstark. »Eine große Liebe ist zu Ende gegangen«, lamentierte er theatralisch. »Vor nicht langer
Zeit hat Signor Robana seine Frau, die liebreizende, allseits berühmte Eva, und sein Kind verloren! Trauern Sie mit ihm, denn sein Leid ist grenzenlos!« Über Sammy le Petits Gesicht kullerten tatsächlich einige Tränen. Gemeinsam mit Signor Robana rang er um Fassung. Doch dann wurde seine Stimme wieder erstaunlich fest. Der Zwerg wusste genau, wie er sein Publikum fesseln konnte. »Aber sein Leid ist nicht umsonst gewesen! Signor Robana hat einen Ausweg gefunden, um wenigstens die Hülle seiner Lieben für sich und die Nachwelt zu erhalten! Er hat Eva und sein Kind nach der Methode der alten Ägypter...«
    Jella traute ihren Ohren nicht. Das war ja unglaublich! Sie hatte schon von ausgestopften Tieren in der Menagerie gehört, worüber man denken konnte, was man wollte, aber dass man das Gleiche mit Menschen tat? Wie skrupellos das war! Fassungslos sah sie mit an, wie kurz darauf ein Glaskasten mit zwei Figuren auf die Bühne geschoben wurde. Bei genauerem Hinsehen handelte es sich tatsächlich um zwei mumifizierte Menschen. Der eine war eine zierliche Frau in einem rotseidenen Kleidchen. Sie stand aufrecht da. Ihr Körper, ihre Hände, ja selbst das Gesicht waren flächendeckend behaart, während sie mit schrecklichem Leichengrinsen im Gesicht ins Publikum starrte. Ihr Kind, in einem ebensolchen Flitterkleidchen, saß auf einer Stange neben ihr - wie ein Papagei. Jella wurde übel. Was für eine Geschmacklosigkeit! Keinen Augenblick länger wollte sie an dieser Leichenfledderei teilhaben! Mit einer ungestümen Bewegung stand sie auf und drängte nach draußen. Ihr war egal, dass die Leute neben ihr schimpften. So schnell es ging, schob sie sich durch die Bänke und verließ eiligst die Schaubude.
    Draußen schnappte sie erst einmal tief nach Luft! Was für ein

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