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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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unter den Attacken und bekam auch mehr Luft.
    In den letzten Tagen war in der Destille immer wieder von dem »Rummel« und dem »Tingeltangel« in der Jungfernheide die Rede gewesen. Jeder im Kiez schien bereits dort gewesen zu sein. Sargtischler Grischke schwärmte in den höchsten Tönen von der menschlichen Pyramide. »Ihr glaubt es nicht, aber da waren sechzehn Artisten, die sich mindestens zehn Meter hoch in die Luft getürmt haben! Das hat die Welt noch nicht gesehen!«, hatte er begeistert geprahlt. »Das ist noch gar nichts«, hatte ein anderer gekontert. »Ich hab mit eigenen Augen gesehen, wie Miss Larsche, die Zwergin, sich einen Degen in den Schlund gesteckt hat, der größer war als sie selbst. Das war vielleicht eine Attraktion!« Die Gäste am Stammtisch hatten sich daraufhin gegenseitig zu übertrumpfen versucht und von den erstaunlichsten Attraktionen erzählt. Jella war davon so fasziniert gewesen, dass sie das Bedienen völlig vergessen hatte. Wie gern wäre sie doch auch dorthin gegangen! Allein der Gedanke an das bunte und aufregende Treiben auf dem Rummelplatz mit seinen vielen Schaubuden hatte ihr Herz schneller schlagen lassen. Doch Gustav hatte sie schnell wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt und ihr angedroht, sie rauszuschmeißen, wenn sie sich nicht sofort in den Eiskeller begäbe, um ein neues Fass Heringe zu holen. Kurz zuvor musste Zille den Gastraum betreten haben. Auf jeden Fall hatte er die Szene mitbekommen und Jella später darauf angesprochen. Und dann hatte er ihr einfach so das Geld für den Rummel zugesteckt.
    »Nimm die paar Groschen als Dankeschön dafür, dass ich dich immer wieder hier in der Destille zeichnen darf«, hatte er gesagt und dann mahnend hinzugefügt: »Allerdings musst du mir auch versprechen, das Geld mit vollen Händen auszugeben!«

    Und genau das wollte sie jetzt tun!
    Rachel war gut versorgt. Sie saß bei Mia Grosche, trank Bohnenkaffee und feierte zum wiederholten Male das »Wunder«, wie Mia es ausdrückte. Vor einigen Wochen hatte zu ihrem allergrößten Erstaunen das geklaute Geld wieder auf dem Küchentisch gelegen. Ein Dieb, der seine Beute freiwillig wieder zurückgab! Das war das Gesprächsthema im ganzen Block. Es gab viele Hausbewohner, die zu Recht vermutet hatten, dass Pischke das Geld gestohlen haben musste, aber keiner von ihnen konnte sich erklären, weshalb er es wieder zurückgelegt hatte. Keiner außer Jella. Es bereitete ihr eine diebische Freude, sich vorzustellen, welche Überwindung es den alten Gauner gekostet haben musste.
     
    Zwischenzeitlich war Jella auf dem Hauptplatz des Rummels angelangt, auf dem mehrere Male pro Tag die spektakuläre Menschenpyramide errichtet wurde. Sie versuchte sich in dem bunten Durcheinander zu orientieren. Die Schaubuden und Zelte standen entlang zweier Hauptstraßen, die sich auf dem Platz kreuzten. Eine große Tafel neben einer Gartenwirtschaft zeigte die dargebotenen Attraktionen an. Vor jeder Schaubude, die durch wenige Handgriffe zerlegt werden konnte, befand sich die Parade. Das war ein kleines Podium, hinter dem sich der eigentliche Vorführraum befand. Wenn gerade keine Vorführung stattfand, stand ein Impresario auf der Parade und machte lautstarke und reißerische Ankündigungen. Neben ihm gaben ein oder mehrere Artisten kleine Kostproben ihrer Darbietungen. Eine Hünin von Frau - Ottilie, die Eisenbraut - zwinkerte Jella kumpelhaft zu. Sie war noch ein Stück größer als Jella, die mit ihren ein Meter fünfundsiebzig ziemlich viele Menschen in der Menge überragte. Allerdings war die Eisenbraut mehr als doppelt so breit wie sie und wohl zehnmal so stark. Ihre ärmellose und beinfreie Ringermontur erlaubte einen ungehinderten Blick auf ihre stämmigen Beine und muskelbepackten
Arme. Als Demonstration ihrer Kraft ließ die Riesin vor aller Augen ihre Armmuskeln spielen. Sie sahen aus wie Mäuse, die unter einem Tuch hin und her huschten.
    »Hereinspaziert, meine Damen und Herren!«, brüllte der Impresario. »Hundert Goldmark für den Herrn oder die Dame, dem oder der es gelingt, unsere Eisenbraut zu Fall zu bringen! Zögern Sie nicht. Die Eisenbraut hat bisher noch jeden besiegt.« Jella glaubte ihm aufs Wort. Keine zehn Pferde hätten sie dazu gebracht, sich auf einen Ringkampf mit dieser Frau einzulassen.
    Ein benachbarter »Indischer Zaubersalon« versprach magische Vorführungen und eine schwebende Jungfrau. Ein Fakir saß mit einem windelähnlichen Tuch um seine Hüften auf

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