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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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abscheulicher, geldgieriger Mensch musste dieser Signor Robana sein, wenn er es fertigbrachte, seine eigene Frau und sein Kind nach ihrem Tod auszustopfen und dann gegen Geld auszustellen?
So ein Mann kannte kein Mitgefühl und keine Trauer! Was ihn antrieb, war reine Geldgier! Jellas Interesse am Rummelplatz und seinen Kuriositäten hatte einen schalen Nachgeschmack bekommen. Wie benommen irrte sie über den Platz in Richtung Ausgang, vorbei an einer Kuriositätenschau, die ein echtes »Seeungeheuer« versprach, einem Panoptikum mit Wachsfiguren und einer Schießbude. Doch sie hatte den falschen Weg gewählt. Anstatt in der Nähe des Ausgangs war sie in einer Sackgasse gelandet. Ärgerlich drehte sie um und entdeckte, wie sich etwa fünfzig Schritte von ihr entfernt ihr aufdringlicher Sitznachbar suchend nach ihr umsah. Er war ihr offensichtlich gefolgt. Im gleichen Augenblick steuerte er auch schon auf sie zu. Jella fürchtete ihn nicht. Sie war schon mit ganz anderen Typen fertiggeworden, aber sie hatte nach diesem deprimierenden Erlebnis keinerlei Verlangen, einen ungehobelten, alkoholisierten Verehrer abzuweisen. Sie wollte nur noch nach Hause. Kurzerhand bog sie nach links ab und benutzte den schmalen Durchgang zwischen zwei Schaubuden. Sie hatte vor, sich auf Nebenpfaden wieder auf den Hauptweg, der zum Ausgang führen musste, durchzuschlagen. Doch damit erreichte sie das genaue Gegenteil dessen, was sie wollte. Der Kerl missverstand Jellas Flucht und dachte, sie wolle ihn für ein Tête à Tête in ein ungestörtes Eckchen locken. »Nu warte doch, ick komm ja schon!«, rief er ihr lüstern hinterher. Jella wurde ihr Fehler zu spät bewusst. Umdrehen ging nicht mehr. Also beschleunigte sie ihre Schritte. Wenn der Kerl sie jetzt einholte, würde er mit Sicherheit zudringlich werden. Ihr langer Rock war beim Laufen hinderlich. Kurzerhand raffte sie ihn hoch und begann zu rennen. Der Verfolger blieb ihr dicht auf den Fersen. Manchmal waren nur ein paar Schritte zwischen ihnen. Sie hörte sogar seinen raschen Atem. Ihr Ziel war, den Typen zwischen dem Wirrwarr der vielen Buden abzuhängen. Immer wieder änderte sie ihre Richtung, bis sie schließlich in einer Sackgasse gelandet war. Hastig überlegte
sie, was sie tun konnte. Sollte sie ihm entgegentreten und ihn anschreien? Wieso war sie nur kein Mann? Männer lernten schon von klein auf, sich zu verteidigen. Als Frau blieb man immer wehrlos allem ausgeliefert! Aber dann entdeckte sie die kleine Seitentür, die in den Hinterraum einer Schaubude führte. Jella betete, dass sie nicht abgeschlossen war, und griff nach dem Türknauf. Mit einem leisen Ruck öffnete sich die Tür, und Jella schlüpfte ins Dunkle. Es dauerte einen Augenblick, bis sie in der Dunkelheit einige schemenhafte Konturen ausmachen konnte. Sie vermutete, dass sie sich in einem Abstellraum für Requisiten befand; allerdings konnte sie nichts Genaues erkennen. Vorsichtig tastete sie sich Schritt für Schritt vorwärts und stieß prompt auf ein Hindernis. Ihre Hände betasteten den Gegenstand. Er fühlte sich irgendwie flauschig und groß an und roch nach alten Mottenkugeln. Sie suchte nach einem Weg daran vorbei, als plötzlich am anderen Ende des Raumes, in Richtung Bühne, eine Tür geöffnet wurde und somit etwas Licht in die Kammer fiel. Jella konnte nun die wahre Gestalt des Hindernisses erkennen und unterdrückte in letzter Sekunde einen Schrei. Erschreckt presste sie die Arme an ihren Körper. Das flauschige Etwas, das sie berührt hatte, war nichts anderes als ein ausgewachsener afrikanischer Löwe! Sekundenbruchteile später wurde ihr klar, dass das furchterregende Tier längst nicht mehr am Leben war. Erleichtert atmete sie auf. So abscheulich sie die Ausstopferei der Menschen gefunden hatte, jetzt war sie dankbar, dass den Löwen dasselbe Schicksal ereilt hatte. Allem Anschein nach war sie in Dr. Hagenstolz’ »Afrikanische Menagerie und Völkerschau« geraten. Sie hatte schon viel davon gehört. Doch das spielte im Augenblick keine Rolle. Wichtiger war, wie sie hier wieder ungeschoren hinauskam. Im Moment saß sie in der Falle. Benutzte sie die Tür, durch die sie gekommen war, riskierte sie, dem betrunkenen Kerl von der Abnormitätenschau in die Arme zu laufen. Ging sie weiter, lief sie Gefahr, vom Budenbesitzer entdeckt
zu werden. Sie würde ihm erklären müssen, wieso sie sich hierher verlaufen hatte. Womöglich würde er die Gendarmen rufen und sie abführen lassen! Oder er würde

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