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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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nur die Leere, die sie mit eisiger Unendlichkeit umfing. Die Angst, dass die Männer zurückkommen könnten, löste sie schließlich aus ihrer Starre. Sie zitterte plötzlich am ganzen Leib. Kraftlos versuchte sie sich aufzurichten, brach aber immer wieder zusammen. Ihr Körper war über und über mit blauen Flecken übersät. Die Lippen waren auf
gesprungen und bluteten, und ihre Lunge stach, als bohrten sich Rippen in ihre Eingeweide. Wie ein waidwundes Tier kroch sie hinter den Paravent zu ihren Kleidern, um so schnell wie möglich aus dieser Hölle zu verschwinden.
     
    Zu Hause schloss sie sich in ihrem Zimmer ein. Hektisch befreite sie sich aus ihren Kleidern, bis sie splitternackt vor ihrem Waschtrog stand. Sie tauchte eine Wurzelbürste in das eiskalte Wasser und begann sich zu waschen. Wieder und wieder schrubbte sie sich, bis sich die Haut rötete und schließlich von ihrem Körper zu lösen begann. Sie konnte nicht damit aufhören, weil es ihre einzige Hoffnung war, die Schmach und die Schmerzen, die man ihr angetan hatte, abwaschen zu können. Doch es half nichts. Schuldgefühle hämmerten sich in ihr Bewusstsein. Sie hatte es zugelassen, dass man ihr alles genommen hatte, was sie als Frau an Würde und Anstand besaß - ihre Jungfräulichkeit. Aber was noch viel schlimmer war: Sie hatten ihren Willen gebrochen. Wimmernd und verzagt kroch Jella schließlich in ihr Bett und bat Gott inständig darum, sie sterben zu lassen.

Die Entscheidung

    »Sach mal, Justav, wo is denn unsere Kleene abjeblieben? Ick möcht ihr jern wat zeijen!« Heinrich Zille deutete auf die Mappe unter seinem Arm.
    »Keene Ahnung«, brummelte Gustav unfreundlich, während er ein paar Gläser in die Vitrine einräumte. »Aber wenn se nich bald wieder hier auftaucht und mir die Arbeit abnimmt, dann kann se mir ooch jestohlen bleiben! Se is schon seit zwee Tagen überfällig.«
    »So? Det sieht mir aber jar nich nach unserer Jella aus. Vielleicht isse ja krank?«
    »Det glob ick nich«, meinte Gustav. »Ick fürchte eher, se hat sich mit die falschen Leute einjelassen und uns hier verjessen.«
    Er beugte sich über den Tresen und schilderte dem Maler Jellas Begegnung mit den »vornehmen Künstlern« vor einigen Tagen. »Wenn de mich fragst«, endete er, »dann waren det aber keene Ehrenmänner und im Leben keene Künstler. Die hatten ja gar keene Farbe an den Fingern, sondern eher’nen jeilen Blick!«
    »So, so...« Zille zog seinen Hut runter und kratzte sich am Kopf. Modellsitzen war an und für sich keine schlechte Sache. Jella konnte zusätzliches Geld gut gebrauchen. Seltsam war nur, dass sie sich bei Gustav nicht abgemeldet hatte. Es war so gar nicht ihre Art, einfach zu verschwinden. Außerdem gefielen ihm die Bemerkungen über die Burschen nicht. Gustav war ein guter Beobachter und Menschenkenner. Nein. Der Sache musste er auf den Grund
gehen. Er würde nach Jella sehen. Seit dem Tod ihrer Mutter fühlte er sich irgendwie für die junge Frau verantwortlich. Schon oft hatte er mit seiner Frau Hulda über Jella gesprochen und ihr von ihrer Tatkraft und ihrem Lebenswillen vorgeschwärmt. Ihm gefiel die offene und praktische Art des Mädchens. Außerdem war sie eine gute Beobachterin und hatte einen Blick für das Wesentliche. Nicht zuletzt wegen ihres ausgezeichneten Urteilsvermögens und ihres natürlichen Kunstverstandes kam er immer wieder gern in die Letzte Instanz . Kurz - Jella war ihm fast wie eine Tochter ans Herz gewachsen. Und es war schließlich so seine Art, sich um die Leute in »seinem Miljöh« zu kümmern.
     
    Tok-tok-tok. Das Klopfen an der Tür ließ nicht nach. Jella verkroch sich noch tiefer in ihre Kissen. Seit dem schrecklichen Abend war sie nicht wieder aufgestanden. Das Entsetzen über die Vergewaltigung war einer großen Gleichgültigkeit gewichen. Wenn sie nichts mehr an sich heranließ, würde sie die zugefügte Demütigung am ehesten vergessen können. Das ging so weit, dass sie nicht einmal mehr aufstand, um etwas zu trinken oder zu essen. Sie wagte nicht, den dunklen Bettkasten zu verlassen. Bald würde ihr der Tod die ersehnte Erlösung bringen. Sie verschwendete keine Gedanken mehr an ihre Zukunft, sondern lebte nur noch in dem Hier und Jetzt ihrer dunklen Kammer im dritten Hinterhaus im tristen Berlin. Ihr Leben war für sie vorbei.
    So vegetierte sie vor sich hin und hatte auch nicht vor, das zu ändern. Natürlich quälten sie Hunger und Durst, aber sie versuchte, es zu ignorieren. Immer noch

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