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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Mennen
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sie ihm widerstandslos. Ihr Gesicht war zu einer Maske erstarrt. Als sie dem Maler schließlich folgte, glichen ihre Bewegungen denen einer hölzernen Marionette.
    Hulda Zille nahm den unerwarteten Gast herzlich und ohne Vorbehalte auf. Sie war eine stattliche Frau, die ihren Mann beinahe überragte. Ihre dunkelblonden Haare, durch die sich einzelne graue Strähnen zogen, trug sie ordentlich hochgesteckt. Mit einem warmen, einladenden Lächeln bat sie Jella, ihr in den Salon zu folgen. Unter normalen Umständen wäre Jella von ihrer neuen Umgebung begeistert gewesen. Alles war sauber und licht. Die geräumige Dreizimmerwohnung der Zilles lag im vierten Stock mitten im vornehm angehauchten Stadtteil Charlottenburg. Von dort hatte man einen wunderschönen Blick auf die breite, mit Kopfstein gepflasterte Sophie-Charlotten-Straße, über die tagsüber geschäftig Fuhrwerke und Droschken fuhren. Die Sonne schien selbst jetzt im Winter durch die großzügigen Fenster und verbreitete ein freundliches Licht in der gutbürgerlich eingerichteten Wohnung. An den Wänden des voll gestellten Wohnzimmers hingen überall Zeichnungen, Lithografien und Aquarelle, die Zille angefertigt hatte. Auf dem massiven Eichenholzschreibtisch stapelten sich Abzüge von Fotografien, die alltägliche Motive und Begebenheiten zeigten. Ein etwa zehnjähriger Knabe im Sonntagsanzug, wie er an einen Bauzaun pinkelt. Eine Rossschlächterei
im Untergeschoss einer Mietwohnung, die dunklen Gassen des Krögelhofes oder die Friedrichstraße, über die motorisierte Droschken fuhren. Doch Jella hatte für all das keinen Blick übrig. Ihr Inneres war ausgebrannt und leer.
    Auch in den nächsten Tagen und Wochen änderte sich nichts an ihrem Zustand. Ihre körperliche Verfassung besserte sich zwar stetig, aber ihre verletzte Seele blieb für ihre Umwelt unzugänglich. Dabei gab sich Jella dem äußeren Anschein nach viel Mühe. Sie bedankte sich artig für die ihr erwiesenen Freundlichkeiten, half im Haushalt und ging Hulda bei den Näharbeiten zur Hand, aber sobald ein Gespräch persönlicher wurde, verhärtete sich ihr Gesicht und ihr Blick schweifte ins Leere. Am liebsten schwieg sie und verzog sich in die Einsamkeit ihrer Kammer. Jella funktionierte, aber sie lebte nicht. Alle gaben sich Mühe, sie aufzumuntern, aber keinem gelang es, die Mauer ihrer Gleichgültigkeit einzureißen.
     
    Die äußeren Verletzungen waren nach ein paar Tagen abgeheilt. Aber der innere Ekel vor der grauenvollen Tat blieb und wurde täglich eher größer. Dazu kam die schreckliche Bedrohung, dass die Vergewaltigung Folgen gehabt haben könnte. Was sollte sie tun, wenn sie schwanger war? Allein der Gedanke war unerträglich, dass die Männer womöglich ein Kind in sie gepflanzt hatten. Es würde ein Unhold sein, den sie schon jetzt hasste. Nein! Sie würde das Kind auf keinen Fall zur Welt bringen. Falls sie wirklich schwanger war, dann würde sie zu einer Engelmacherin gehen und es wegmachen lassen. Selbst, wenn sie dabei draufgehen sollte! Ihre Entscheidung stand fest. Doch die Angst blieb. Immer wieder fuhr sie mitten in der Nacht hoch und wachte schweißgebadet auf. Grauenvolle Albträume suchten sie dann heim und hinterließen ihr Bilder von ihrem eigenen, aufgedunsenen Körper, der immer größer und unheimlicher wurde. Dann platzte ihr Bauch auf, und heraus stiegen die drei lachenden Vergewaltiger
mit ihren lüsternen Blicken. Jella hasste jetzt ihren Körper und ertrug keinerlei Berührungen. Selbst als Zilles kleiner Sohn Walter sie einmal zaghaft streichelte, zuckte sie zurück, als hätte der Teufel sie berührt. Mit einer einwöchigen Verzögerung setzte schließlich die sehnsüchtig erwartete Blutung ein. Dennoch konnte Jella keine wirkliche Erleichterung spüren. Die Schreckenstat wurde dadurch nicht ungeschehen gemacht. Die Wunden in ihrem Innern würden bleiben. Sie konnte sie höchstens verstecken.
     
    Weihnachten ging vorüber, und das neue Jahr begann. Hulda und Heinrich Zille behandelten Jella wie ein Familienmitglied und nahmen regen Anteil an ihrem Schicksal. Sie gaben ihr Zeit, sich von ihren Erlebnissen zu erholen, aber als Anfang Februar immer noch keine Besserung in Jellas seelischem Zustand zu bemerken war, beschloss Zille etwas zu unternehmen. Eines Abends kam er nach Hause und unterbreitete Jella beim Abendessen einen Vorschlag.
    »Also, ich habe mit Professor Koch gesprochen«, verkündete er gutgelaunt. »Ab Montag kannst du wieder bei ihm

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