Der Ruf der Kiwis
Ihr Anteil von ihrem Verkauf an den Steward.
Gloria lächelte. Sie war reich!
10
Eigentlich hatte niemand damit gerechnet, aber Lilian Lambert machte sich nützlich. Nach James McKenzies Tod war sie zunächst mit ihrer Mutter auf Kiward Station geblieben und hatte Jacks und George Greenwoods Ankunft mit Charlottes Leichnam abgewartet. Das Wiedersehen mit ihrem Vater und ihren Brüdern musste warten, bis alle Toten unter der Erde waren. Tim Lambert war in der Mine unabkömmlich.
»Aber jetzt helfe ich dir!«, erklärte Lilian resolut, nachdem sie endlich in Greymouth eingetroffen und ihre Heimkehr gründlich gefeiert worden war.
»Was willst du denn in der Mine machen, Spatz?«, fragte Tim lächelnd. Es würde ihn freuen, seine hübsche Tochter täglich um sich zu haben, aber so recht wollte ihm keine Aufgabe für sie einfallen.
Lilian zuckte die Achseln. »Was man halt so macht in einem Büro. Rechnungen schreiben, Leute anrufen ...« Lily zeigte zumindest keinerlei Furcht vor den neuen Telefonapparaten, die neuerdings in jedem Büro standen und die Kommunikation mit Kunden und Geschäftspartnern erheblich erleichterten. »Ich kann alles, was deine Sekretäre auch können ...«
Tim lachte. »Und was machen wir mit meinem Sekretär?«, neckte er sie.
Lilian verdrehte die Augen. »Vielleicht brauchen wir ja mehrere«, meinte sie vage. »Und sonst ...« Sie kicherte. »Unter Tage ist doch auch noch was zu tun ...«
Tim Lambert schickte zwar keinen seiner Büroangestellten unter Tage, aber trotzdem fand sich Arbeit für Lilian. Das Mädchen übernahm als Erstes den gesamten Telefondienst und wickelte ihre Gesprächspartner reihenweise um den Finger. Ein Nein von Zulieferern oder Speditionen akzeptierte sie nicht, und immerhin war man es in Greymouth bereits gewöhnt, von einer Frau herumkommandiert zu werden. Was Florence Biller allerdings mit Härte anging, schaffte Lily mit Charme. Besonders jüngere Geschäftspartner beeilten sich schon deshalb mit den Lieferungen, um das Mädchen mit der hellen Telefonstimme kennen zu lernen. Und Lilian enttäuschte sie nicht, sondern brachte sie zum Lachen und unterhielt sie, wenn sie auf ihren Vater oder den Steiger warten mussten. Auch der Umgang mit den Bergleuten fiel Lilian leicht, obwohl natürlich auch sie sich die abergläubischen Geschichten über Frauen in der Mine anhören musste. Ein alter Bergmann wies sie sogar darauf hin, als sie nur die Räume betrat, in denen die Dampfmaschine zum Betreiben der Förderkörbe untergebracht war.
»Und was ist mit der heiligen Barbara?«, fragte Lily stirnrunzelnd. »Deren Bild hängt in jedem Förderkorb! Außerdem will ich ja gar nicht mit runter. Ich komme nur, um Mr. Gawain den Krankenstand mitzuteilen ... Ruft ihn jetzt mal jemand rauf?«
Lilian wirbelte durch die Büroräume. Sie verbrühte sich ständig beim Kaffeekochen, fand sich aber schnell in die Buchhaltung hinein. Im Gegensatz zu den meist älteren und hölzern agierenden Bürodienern begeisterte sie sich geradezu für Neuheiten wie die Schreibmaschine und lernte in Rekordzeit tippen.
»Geht viel schneller als mit der Hand!«, freute sie sich. »Damit könnte man auch gut Geschichten schreiben!«
Lilian war stets gut gelaunt und heiterte ihren Vater auf, dem der Winter zugesetzt hatte wie jedes Jahr. Seine Hüfte und seine Beine schmerzten in der Kälte unerträglich, ganz zugfrei waren die Büros jedoch kaum zu halten. Schließlich liefen immer wieder Leute hinein und hinaus, und die Räume lagen zu ebener Erde. Tim versuchte, sich zusammenzunehmen, doch wenn er überarbeitet war – und das war er in diesem ersten Jahr des Krieges fast immer –, ließ er seinen Unmut mitunter an seinen Sekretären aus. Durch Lilians Anwesenheit wurde das besser. Nicht nur, weil er sie liebte, sondern auch, weil sie seltener Fehler machte. Das Mädchen war klug und zeigte Interesse an der Leitung des Unternehmens. Sie fragte ihren Vater auf dem Weg zur Arbeit aus und hielt dann oft schon die richtigen Unterlagen für eine Unterredung oder Entscheidung bereit, bevor Tim den Büroangestellten erklärt hatte, worum es ging.
»Wir hätten sie Bergwerkstechnik studieren lassen sollen«, sagte Tim lächelnd zu seiner Frau, als Lilian ihrem kleinen Bruder mit ernstem Gesicht das Prinzip eines Förderturms erklärte. »Oder Betriebswirtschaft. Ich glaub inzwischen auch, dass sie Florence Biller das Fürchten lehren könnte.«
Lilian hatte in Sachen Minenführung
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