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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Läuse an der Reihe. Gloria hatte am Vortag schon gemerkt, dass ihnen das kurze Untertauchen im Meer nicht den Garaus gemacht hatte. Unsicher betrat sie eine Apotheke und fragte leise nach einem möglichst billigen Mittel.
    Der Apotheker lachte. »Das Günstigste wäre, dir den Kopf zu scheren, Bursche. Brauchst sowieso einen Haarschnitt, du schaust aus wie ein Mädchen! Einmal ratzfatz, keine Haare, keine Läuse. Und anschließend den Kopf damit einstäuben.« Er reichte ein Mittel über den Ladentisch.
    Gloria erstand das Pulver für ein paar Cent und suchte einen Barbier. Wieder einmal fielen ihre Locken, und diesmal vollständig. Sie erkannte sich selbst nicht wieder, als sie in den Spiegel sah.
    »Wächst wieder, Junge!« Der Barbier lachte. »Macht fünfzig Cent.«
    Gloria fühlte sich seltsam befreit, als sie sich jetzt Richtung Tearoom wandte. Sie brauchte dringend ein gutes Frühstück und war bereit, dafür zu bezahlen. Ihre neue Freundin hielt jedoch Wort und häufte ihr ohne Geldforderung Bohnen, Eier und Schinken auf den Teller. Allerdings trauerte sie um »Jacks« schönes Haar.
    »Bisschen kürzer wär ja in Ordnung gewesen, aber gleich so ein Kahlschlag! Das werden die Mädchen nicht mögen, Kleiner!«
    Gloria zuckte die Achseln. Solange sich mögliche Arbeitgeber nicht daran störten ...
    Die Suche nach einem Job erwies sich jedoch als schwierig, zumal Gloria sich nicht ins Hafenviertel traute. An den Docks hätte es reichlich Arbeit gegeben. Man suchte ständig Leute, die beim Be- und Entladen der Schiffe halfen. Aber Gloria sah sich lediglich in der Stadt nach Beschäftigung um, und da sah es schlecht aus. Die meisten Jungen in »Jacks« Alter machten irgendwo eine Lehre. Abgerissene Burschen wie Jack, die nicht aus der Stadt kamen und für deren Leumund keiner bürgte, wurden mit Misstrauen betrachtet. Nach einem halben Tag vergeblicher Suche wünschte Gloria sich beinahe, die Methodistenkirche nicht so kopflos verlassen zu haben. Der Reverend hätte ihr sicher helfen können. Aber die Angst vor Henry und den anderen Männern war stärker. Schließlich investierte sie ein paar weitere Cent ihrer kostbaren Barschaft in ein Zimmer in einer kleinen Pension. Zum ersten Mal seit Monaten schlief sie ruhig, allein und gänzlich ungefährdet zwischen sauberen Laken. Am nächsten Tag hatte sie zudem Glück und konnte für einen Botenjungen einspringen, der aus irgendeinem Grund nicht bei der Arbeit erschienen war. Sie beförderte ein paar Briefe und Paketsendungen von einem Büro zum anderen und verdiente damit gerade genug, um das Zimmer eine weitere Nacht zu behalten. Auch in den nächsten Tagen schlug sie sich mit Aushilfsjobs durch, doch als sie nach einer Woche Bilanz zog, sah es trübe aus. Von ihren zehn Dollar waren gerade noch vier übrig, und von ihrem erarbeiteten Geld hatte sie keinen Cent sparen können. An eine Weiterreise nach Sydney war folglich nicht zu denken, es sei denn, sie machte sich zu Fuß auf den Weg.
    Das tat sie schließlich auch. In Darwin war für »Jack« nichts zu verdienen. Gloria zog also die Küste entlang und versuchte, in kleineren Ansiedlungen befristete Arbeit zu finden. Dort, hoffte sie, gab es sicher Farmen, die einen Stallburschen brauchten. Oder Fischer, denen sie beim Fang helfen konnte.
    Leider erwiesen sich sämtliche Hoffnungen als trügerisch. Nach zwei Wochen hatte »Jack« gerade mal hundert Meilen zurückgelegt, und das gesamte Geld war aufgebraucht. Mutlos zog sie durch die Gassen einer winzigen Hafenstadt. Wieder einmal wusste sie nicht, wo sie schlafen würde, und wieder einmal litt sie Hunger. Aber sie hatte nur noch fünf Cent; dafür gab es wohl nicht mal in der üblen Spelunke eine Mahlzeit, an der sie sich eben vorbeidrückte.
    »Na, Kleiner, willste dir ’n paar Cent verdienen?«
    Gloria fuhr zusammen. Ein Mann, offensichtlich auf dem Weg in den zweifelhaften Pub. Im Dunkeln konnte sie sein Gesicht nicht erkennen, aber seine Hand griff in seine Hose.
    »Ich ... bin ein Junge«, flüsterte Gloria und tastete nach ihrem Messer. »Ich ...«
    Der Mann lachte. »Na, das hoffe ich doch! Mit Mädchen hab ich nichts im Sinn. Ich such einen hübschen Knaben, der mir heute Nacht Gesellschaft leistet. Komm, ich zahl auch gut ...«
    Gloria blickte sich panisch um. Der Mann versperrte den Weg in die nächste Gasse, aber er sah nicht aus, als würde er gleich über sie herfallen. Wenn sie den gleichen Weg nahm, auf dem sie hergekommen war ...
    Gloria warf sich

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