Der Ruf der Kiwis
und die kleine Lambert aus ihm herausprügeln! Und die Dichterei gleich mit!«
Sie rauschte hinaus.
Caleb trank einen weiteren Whiskey.
»Dann sieh zu, wie weit du kommst ...«, murmelte er und dachte an jene Nacht Jahre zuvor, als er bei Florence »seinen Mann stand«. Zum ersten und einzigen Mal ...
Caleb Billers Selbstbewusstsein war an einem Tiefpunkt angelangt, als er Florence Biller in jener Zeit um ihre Hand bat. Dabei hatte er sich noch kurze Zeit vorher verzweifelt gesträubt, eine Ehe einzugehen. Caleb machte sich nichts aus Frauen. Wann immer er an Liebe dachte, standen ihm männliche Körper vor Augen, und Erregung hatte er nur einmal kennen gelernt. Sein Zimmergenosse während seiner Internatszeit in England war sein Freund gewesen. Mehr als ein Freund.
Als Unternehmersohn in Greymouth machte Caleb sich jedoch keine Hoffnung, seine Veranlagung weiter ausleben zu können. Er fand sich mit einem Leben als Junggeselle ab, obwohl er wusste, dass das Ärger mit seinen Eltern nach sich ziehen würde. Die hofften schließlich auf einen Erben für die Biller-Mine. Dann jedoch hatte Caleb die Sängerin Kura-maro-tini kennen gelernt, die seine Fähigkeiten als Pianist, Komponist und Arrangeur schätzte. Gemeinsam erarbeiteten sie das erste Programm von »Ghost Whispering«, besuchten örtliche Maori-Stämme und studierten deren Kunst und Musik. Calebs Eltern arrangierten derweil die Ehe mit Florence Weber, was den jungen Mann mit Furcht und Entsetzen erfüllte. Schließlich kamen sich Caleb und Kura so nahe, dass er dem Mädchen seine Veranlagung gestand. Caleb erinnerte sich noch genau an das Gefühl unendlicher Erleichterung, als Kura die Eröffnung gelassen aufnahm. Bevor sie nach Greymouth kam, war sie mit einem Ensemble aus Opernsängern und Balletttänzern durch Australien und Neuseeland gezogen. Und unter Künstlern schien Liebe unter Männern etwas ganz Normales zu sein. Kura hatte dann einen Plan entwickelt, der es Caleb ermöglichen sollte, in Freiheit zu leben. Auch in ihm steckte schließlich ein Künstler. Wenn er als Kuras Pianist und Arrangeur Karriere machte, konnte er Greymouth verlassen und sein Leben einrichten, wie es ihm passte.
Das alles klang verlockend, scheiterte aber letztlich an Calebs Schüchternheit. Sein Lampenfieber ließ ihn auch vor den kleinsten Auftritten nicht schlafen; wenn größere Engagements drohten, machte es ihn krank. Schließlich hatte er vor dem wirklichen, großen Durchbruch die Waffen gestreckt. Er ließ Kura im Stich und traf eine Vereinbarung mit Florence. Sie würde die Biller-Mine leiten und fand sich dafür mit einer Josefsehe ab.
Allerdings kam nicht zur Sprache, dass Florence ihre Mine eines Tages an ihr eigenes Fleisch und Blut zu vererben gedachte. Caleb war entsetzt, als er die taxierenden Blicke bemerkte, die sie Büroangestellten und sogar Bergleuten zuwarf. Der offensichtlich Auserwählte war dann ihr Sekretär, und in seinen dunkleren Stunden hätte Caleb zweifellos geschwiegen und darüber hinweggesehen. Aber in diesen ersten Monaten nach der Hochzeit begann er, sich stärker zu fühlen. Zum ersten Mal war der Druck von ihm genommen, eine Arbeit erledigen zu müssen, die ihm nicht lag. Statt sich mit der Minenleitung herumzuärgern, schrieb er Artikel für Fachzeitschriften – und erntete zu seiner Verblüffung grenzenlose Begeisterung. Maori-Kunst war ein noch nicht erschlossenes Fachgebiet. Die Gazetten rissen sich geradezu darum, Calebs Artikel zu veröffentlichen, und kurze Zeit später stand er in regem Briefkontakt mit verschiedenen Universitäten der Alten und Neuen Welt. Hinzu kam, dass Kura-maro-tini in Europa Erfolge feierte – und ihm vereinbarungsgemäß seinen finanziellen Anteil daran überwies. Caleb erhielt Anerkennung und verdiente Geld. Zum ersten Mal im Leben schwoll ihm der Kamm. Er hielt sich aufrecht – und er würde nicht erlauben, dass ein kleiner Bergwerkssekretär ihm Hörner aufsetzte!
Florence Weber-Biller besaß nicht die Sensibilität, dies zu erkennen. Dazu erlaubte sie sich bei diesem, ihrem ersten Mann so etwas wie eine leichte Verliebtheit. Das führte zu Handlungen, die ihr später mehr als peinlich waren. Florence gestattete sich leuchtende Augen beim Treffen mit Terrence Bloom, und sie folgte seiner schlanken, athletischen Gestalt mit besitzergreifenden Blicken. Terrence nutzte das natürlich aus.
Geschäftspartner und Zulieferer wunderten sich, dass er plötzlich wagte, Meinungen zu äußern und
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