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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Dunedin feierte die Vierte Neuseeländische Infanteriedivision; noch an diesem Nachmittag sollte der Truppentransporter nach Albany, Westaustralien, ablegen. Roly O’Brien, Greg McNamara und Bobby O’Mally marschierten vergnügt in der dritten Reihe. Die Jungen waren so stolz wie noch nie in ihrem Leben. Lachend hefteten sie die Blumen, die ihnen die Mädchen von Dunedin zuwarfen, an ihre neuen braunen Uniformröcke.
    »Hab ich dir nicht gesagt, es wird großartig?«, fragte Greg und stieß Roly an. Alle drei waren nicht mehr ganz nüchtern. Bobby hatte eine Flasche Whiskey zum Sammelplatz mitgebracht, und auch andere Soldaten ließen ihre Muntermacher kreisen. Der Lieutenant, der den vergnügten Trupp anführte, hatte das zwar verboten, aber das kümmerte die frisch gebackenen Soldaten nicht. Die meisten von ihnen waren es gewohnt, öfter mal über die Stränge zu schlagen. Kaum einer hatte bislang ein Handwerk erlernt oder eine feste Anstellung gehabt. Eher hatten sie versucht, sich als Goldgräber durchzuschlagen.
    »Dann habt ihr ja wenigstens Übung im Ausheben von Schützengräben«, seufzte der Lieutenant, der die Neuen gleich nach Spezialkenntnissen gefragt hatte. Roly hätte natürlich von seinen Erfahrungen als Krankenpfleger erzählen können, hielt sich hier aber zurück. Bloß nicht wieder auffallen! Bislang fühlte er sich sehr wohl in der Truppe. Vorn versuchten sie gerade, ein gemeinsames Lied anzustimmen, aber leider fiel ihnen keins ein. Vier verschiedene Gruppen begannen mit drei unterschiedlichen Liedern, bevor sich 
It’s a long Way to Tipperary
 durchsetzte.
    »Gehen wir wohl gleich an Bord oder noch in den nächsten Pub?«, erkundigte sich Bobby. Er war der Jüngste der drei und fasziniert von all den neuen Erfahrungen, die auf ihn einprasselten. Für Greg und Bobby war schon die Zugreise nach Otago ein Abenteuer gewesen. Roly sah das gelassener. Er war mit den Lamberts bereits viel gereist, kannte die gesamte Südinsel und war sogar mit Tim in Wellington auf der Nordinsel gewesen. Deshalb gab er sich jetzt abgebrüht.
    »Das Schiff wartet nicht, Bob! Und die Armee geht nicht gemeinsam in Pubs. Hast doch gehört, was der Lieutenant gesagt hat: Wir fahren jetzt nach Australien und dann nach Frankreich, und da werden wir gedrillt.«
    »Drill klingt gar nicht gut!«, kicherte ein Junge hinter ihnen. »Hier, wollt ihr ’n Schluck? Selbst gebrannt!« Er reichte eine Flasche nach vorn.
    Auch der Hafen war gedrängt voller Leute, die ihre Helden verabschieden wollten. Nur ein sehr geringer Teil davon bestand aus Angehörigen der Männer – und die wenigen Mütter und Ehefrauen weinten eher, als dass sie jubelten. Die meisten waren einfach gekommen, um das Schiff ablegen und die Männer ins Abenteuer ziehen zu sehen. Sie bewunderten die glänzenden Abzeichen der NZEF, der Armee von Neuseeland, die an den breitkrempigen Hüten der Rekruten prangten, und stießen abwechselnd Hurra-Rufe auf Großbritannien und Schmähungen auf Deutschland aus – die Rekruten antworteten gut gelaunt. Die Einschiffung war ein einziges Fest. Da störte es Roly und seine Freunde auch nicht, dass die Kajüten viel zu dicht belegt, ja das ganze Schiff mit Passagieren völlig überladen war. Da nicht alle Platz an Deck fanden, um ihren Bewunderern zum Abschied zuzuwinken, setzten sie sich teilweise und ließen die Beine über die Reling baumeln. Roly konnte Bobby – trunken vor Aufregung und billigem Whiskey – gerade noch davor retten, ins Wasser zu fallen.
    Jack McKenzie hielt sich aus dem Trubel heraus. Er war still in einer der letzten Reihen mitmarschiert, hatte aber keinen Blick für den Jubel der Menschen. Über all dem Wirbel hatte er seinen Entschluss, sich der Truppe anzuschließen, fast schon bereut. Er hatte in den Krieg ziehen wollen, und nun schien er auf einem Rummelplatz gelandet zu sein. Während die anderen sich beim Auslaufen des Schiffes noch einmal feiern ließen, verstaute er seine wenigen Habseligkeiten in dem dafür vorgesehenen, winzigen Spind. Vielleicht war es auch ein Fehler gewesen, sich einer Infanteriedivision anzuschließen. Gwyneira war darüber außer sich gewesen.
    »Du hast ein Pferd, Jack! Und eine ausgezeichnete Erziehung. Bei der Kavallerie könntest du schnell einen Offiziersrang erreichen. Meine Familie ...« Gwyneira hielt inne. Es würde wenig Sinn haben, Jack von den Kriegserfahrungen seiner walisischen Vorfahren zu erzählen. Die Silkhams gehörten zum Landadel; ihre Söhne

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