Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
wirst du schwerlich an Charlotte denken! Bist du noch bei Trost, Jack? Willst du dich umbringen? Du weißt doch nicht mal, wofür die da kämpfen!«
    »Die Kolonien haben dem Mutterland England ihre uneingeschränkte Unterstützung zugesagt ...« Jack spielte mit seiner Serviette.
    »Politiker reden Unsinn, seitdem es sie gibt!«
    Gwyneira zumindest hatte ihr Sohn jetzt gründlich aus der trauerbedingten Lethargie gerissen. Sie saß aufrecht und stritt mit funkelnden Augen. Die ersten Strähnen ihres nun fast weißen, ehemals flammend roten Haares kämpften sich aus der strengen Frisur. »Du hast keine Ahnung, worum es in diesem Krieg geht, aber du willst losziehen, um wildfremde Leute zu erschießen, die dir nie etwas getan haben. Warum stürzt du dich nicht gleich wie Charlotte von den Klippen?«
    »Es geht nicht um Selbstmord«, sagte Jack gequält. »Es geht um ... um ...«
    »Es geht darum, Gott zu versuchen, oder?« Gwyneira stand auf und ging zu dem Schrank, in dem seit Jahrzehnten die Whiskeyvorräte standen. Ihr war gründlich der Appetit vergangen, und sie brauchte etwas Stärkeres als Tischwein. »Das ist es doch, Jack, nicht wahr? Du willst sehen, wie weit du gehen kannst, bevor dich der Teufel holt. Aber das ist Unsinn, und du weißt es!«
    Jack zuckte die Achseln. »Es tut mir leid, aber du wirst mich nicht umstimmen«, sagte er ruhig. »Das ginge auch gar nicht. Ich habe mich bereits verpflichtet ...«
    Gwyneira hatte ihr Glas gefüllt und wandte sich wieder zu ihrem Sohn um, jetzt pure Verzweiflung in den Augen.
    »Und was ist mit mir? Du lässt mich ganz allein, Jack!«
    Jack seufzte. Er hatte an seine Mutter gedacht, und er hatte seine Entscheidung immer wieder verschoben, um ihr nicht wehzutun. Nach wie vor hatte er auch auf Glorias Rückkehr gehofft. Das Mädchen tourte zurzeit mit seinen Eltern durch Amerika, aber inzwischen müsste Kura-maro-tini doch herausgefunden haben, dass sie sich so gar nicht zur Korrepetitorin eignete. Glorias letzte Briefe waren nichtssagend wie stets gewesen, aber Jack meinte doch, ihre Verzweiflung und Frustration zwischen den Zeilen zu spüren:
     
    New York ist eine große Stadt. Man kann sich darin verlaufen. Ich habe ein paar Museen besucht, in einem gab es polynesische Kunst. Sie hatten Kriegskeulen der Maoris. Ich wünschte, der Krieg in Europa wäre bald zu Ende ...
     
    New Orleans ist ein Mekka für alle, die Musik lieben. Meine Eltern genießen es. Mir liegt die Hitze nicht, alles scheint immer feucht zu sein. Bei Euch ist jetzt Winter ...
     
    Ich arbeite viel, ich soll die Tänzerinnen am Klavier begleiten. Aber es liegt mir mehr, Tamatea beim Schminken zu helfen. Einmal hat sie mich angemalt. Ich sah aus wie ein Maori-Mädchen von unserem Stamm auf Kiward Station ...
     
    Nach Reisebegeisterung hörte sich das nicht an, und William und Kura mussten das irgendwann einsehen. Jack hoffte, dass sie Gloria bald heimschickten und Gwyneira damit eine neue Aufgabe und neuen Lebensmut gaben. Er selbst fühlte sich nicht dazu imstande, seine Mutter aufzubauen. Jack wollte fort, egal wohin.
    »Es tut mir leid, Mutter.« Jack verspürte den Wunsch, Gwyneira zu umarmen, schaffte es dann aber doch nicht, aufzustehen und sie an sich zu ziehen. »Aber es wird ja nicht lange dauern. Sie sagen, der Krieg wäre in wenigen Wochen aus, und dann kann ich ... dann schaue ich mich vielleicht noch ein bisschen in Europa um. Und zunächst geht es sowieso nach Australien. Die Flotte legt in Sydney ab. Sechsunddreißig Schiffe, Mutter. Der größte Konvoi, der jemals den Indischen Ozean überquert hat ...«
    Gwyneira kippte ihren Whiskey hinunter. Der Great Convoy war ihr egal, ebenso der Krieg in Europa. Sie spürte nur, wie ihre Welt auseinanderbrach.
     
    Roly O’Brien half seinem Herrn, sich zum Abendessen umzuziehen. An sich war das nicht üblich im Hause Lambert; die Mahlzeiten im Familienkreis verlangten keine formelle Kleidung. Aber an diesem Abend war in einem der Grand Hotels am Kai eine Besprechung der örtlichen Minenbetreiber mit den Vertretern der New Zealand Railway Corporation angesetzt. Im Anschluss an ein formelles Dinner, zu dem auch die Damen geladen waren, würde man sich zurückziehen und über die kriegsbedingten Veränderungen diskutieren, vor allem die Erhöhung der Förderkontingente und mögliche gemeinsame Transportregelungen. Die Minen waren inzwischen durchweg erweitert worden, und es wurden weitere Eisenbahnwaggons und Sonderzüge gebraucht, um die

Weitere Kostenlose Bücher