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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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erklärte Kiri und schaffte es, dabei zu erröten. Fünfzig Jahre in einem 
pakeha
-Haushalt hatte auch ihre traditionellen Moralvorstellungen aufgeweicht. »Aber so getan ...«
    Gwyneira verfluchte ihr Misstrauen. Sie hätte sich wenigstens Glorias Version der Geschichte anhören müssen. Aber jetzt zeigte sie zumindest genügend Größe, sich bei ihrer Enkelin zu entschuldigen. Als das Mädchen am Abend zum Essen erschien – in dem altjüngferlichen Aufzug, in dem sie Gwyneira damals in Dunedin begrüßt hatte –, sprach sie förmlich ihr Bedauern aus.
    »Ich war verängstigt, Glory. Ich dachte, du fällst auf Tongas Tricks herein. Kura war damals nahe dran.«
    Gloria verzog den Mund. »Ich bin nicht Kura!«, sagte sie böse.
    Gwyneira nickte. »Ich weiß ... bitte ... Es tut mir leid.«
    »Es ist in Ordnung«, meinte Jack begütigend. Die Atmosphäre zwischen den beiden Frauen machte ihm beinahe Angst. Gloria schien Gwyn für ihr ganzes Leid verantwortlich zu machen. Er fragte sich, was dem Mädchen geschehen war. Wie lange war sie eigentlich allein unterwegs gewesen? Was hatte sie angestellt, um nach Neuseeland zurückzukommen? Eins entnahm er jedenfalls ihrer Reaktion auf das Rascheln im Buschwerk: Gloria hatte ihren eigenen Krieg erlebt.
    »Nein, es ist nicht gut!«, rief sie jetzt. »Sprich nicht für mich, Jack! Es ist erst gut, wenn ich das sage, es ...« Sie verhaspelte sich. »Es ist gut«, sagte sie dann steif.
    Gwyneira atmete auf.
    Nach dem Essen hielt sie das Mädchen auf, das schon wieder zurück auf sein Zimmer wollte.
    »Hier ist noch etwas für dich, Gloria. Ein Päckchen, von deinen Eltern. Es ist vor ein paar Wochen gekommen.«
    Gloria schnaubte. »Ich will nichts von meinen Eltern!«, sagte sie böse. »Du kannst es gleich zurückschicken.«
    »Aber es sind Briefe, Kind«, meinte Gwyn. »Kura schrieb, sie sendet dir deine Post. Die Agentur hat sie wohl gesammelt und ihr nach New York geschickt.«
    »Wer sollte mir geschrieben haben?«, fragte Gloria mürrisch.
    Gwyn zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht, Glory, ich habe den Umschlag nicht aufgemacht. Vielleicht schaust du einfach nach. Dann kannst du sie immer noch verbrennen.«
    Am Nachmittag hatte Gloria vor den Ställen ein Feuer entzündet und ihr Maori-Festkleid hineingeworfen. Gloria nickte.
     
    In ihrem Zimmer öffnete sie den Umschlag. Der erste Brief, der herausfiel, war geöffnet worden. Kura musste ihn gelesen haben. Gloria sah auf den Absender: Private Jack McKenzie, ANZAC, Kairo.
     
    Liebe Gloria,
     
    eigentlich hoffte ich, Dir jetzt schon nach Kiward Station schreiben zu können. Schließlich hast Du die Schule beendet, und Mutter war so voller Hoffnung, dass Du endlich heimkommst. Aber nun berichtete sie mir von einer Amerikatournee mit Deinen Eltern. Sicher eine sehr interessante Erfahrung, die Du unserer alten Schaffarm vorziehst. Deine Grandma Gwyn ist darüber zwar sehr traurig, aber es geht ja wohl nur um ein halbes Jahr.
    Wie Du sicher gehört hast, habe auch ich mich entschlossen, Kiward Station eine Zeitlang zu verlassen und meinem Land als Soldat zu dienen. Nach dem Tod meines Vaters und meiner geliebten Gattin Charlotte wollte ich einfach mal etwas anderes tun und sehen. Was Letzteres angeht, komme ich durchaus auf meine Kosten. Ägypten ist ein faszinierendes Land, ich schreibe Dir sozusagen aus dem Schatten der Pyramiden. Grabmale, die wie Burgen aufragen und die Toten festhalten sollen. Aber was ist das für eine Unsterblichkeit, wenn man die Seelen einmauert und die Körper in Grabkammern unter der Erde versenkt, sorglich verborgen, immer in der Angst vor Leichenfledderern? Unsere Maoris würden das nicht verstehen, und auch ich sehe Charlotte lieber in der Sonne von Hawaiki als im ewigen Dunkel ...
     
    Gloria ließ den Brief sinken und dachte an Charlotte. Wie hatte sie noch ausgesehen? Sie erinnerte sich kaum an die jüngste Tochter der Greenwoods. Und Jack ... wie kam er auf die Idee, ihr plötzlich so einen langen Brief zu schrei ben? Oder hatte er das vielleicht immer getan? Hatte die Schule seine Briefe abgefangen? Warum und auf wessen Geheiß?
    Gloria sah rasch den weiteren Packen Briefe durch. Abgesehen von ein paar Schreiben von Grandma Gwyn und zwei Karten von Lilian waren sie alle von Jack! Gespannt öffnete sie den nächsten Umschlag.
     
    ... Das moderne Kairo gilt als Großstadt, aber repräsentative Häuser, Plätze und Paläste lässt es vermissen. Die Menschen leben in eingeschossigen,

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