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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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versteckten ihre Befangenheit hinter Lobesworten für die Hündin. Früher wären sie nicht zusammengeschreckt, nur weil sich im Busch etwas regte. Neuseeland barg praktisch keine Gefahren. Es gab keine großen, gefährlichen Tiere, und mit den Maoris lebte man friedlich zusammen. Trotzdem beruhigten beide sich erst wirklich, als sie das Grasland rund um Kiward Station erreichten. Die Ebene war gut einzusehen.
    »Wir kommen zu spät zum Abendessen«, meinte Gloria schließlich. »Grandma Gwyn wird schimpfen.« Sie klang wie ein kleines Mädchen.
    Jack lächelte. »Sie wird froh sein, dich wiederzuhaben. Und Kiri und Moana gehen zum 
waiata-a-ringa
, die Küche bleibt also kalt.« Er rang kurz um Worte.
    »Ich bin froh, dass du da bist, Gloria!«
    »Es ist mein Land«, sagte Gloria ruhig.
     
    Ihre Sicherheit schwand jedoch, als die beiden kurz danach die Ställe von Kiward Station erreichten. Frank Wilkenson nahm ihnen das Pferd ab. Er hatte mit ein paar anderen Viehhütern nebenan Whiskey getrunken; nun starrten alle, ohne Ausnahme, auf Glorias knappes Röckchen. Das Mädchen errötete. Jack zog seine Jacke aus und gab sie ihr.
    »Hätten wir früher machen sollen«, meinte er bedauernd. Er hätte auch ein Taschentuch gehabt, um ihre 
moko
 abzuwischen. Aber sie hatten nicht daran gedacht. Jetzt konnten sie sich nur noch durch die Küche hineinschleichen und hoffen, an Gwyneira vorbeizukommen.
    Die wartete jedoch im Durchgang zu den Wirtschaftsräumen. Sie trug noch ihr Hauskleid vom Nachmittag und wirkte mitgenommen. In Jacks Augen hatte sie nie zuvor so alt ausgesehen. Er meinte, Tränenspuren auf ihren Wangen zu sehen.
    »Was bringst du mir da, Jack?«, fragte sie hart. »Eine Maori-Braut? Ich habe es nicht ernst gemeint. Du hättest sie nicht rauben müssen. Sie läuft ja doch bei nächster Gelegenheit zu ihrem Stamm zurück.« Gwyneira ließ von ihrem Sohn ab und wandte sich jetzt an ihre Urenkelin. »Konntet ihr mich nicht wenigstens einladen, Gloria? Konnten wir es nicht hier feiern? Hasst du mich so sehr, dass ich von meiner Köchin erfahren muss, dass meine Enkelin heiratet?«
    Jack runzelte die Stirn. »Wer spricht denn von heiraten, Mutter?«, fragte er sanft. »Gloria wollte an einem Tanz teilnehmen. Aber dann hat sie es sich anders überlegt. Sie war auf dem Weg nach Hause, als ich sie traf.«
    »Du hast immer schon für sie geschwindelt, Jack«, bemerkte Gwyneira. Jack hatte sich zwischen sie und das Mädchen gestellt, doch sie schob ihn zur Seite. »Also gut, Gloria, wie stellst du es dir jetzt vor? Willst du mit Wiremu hier leben? Oder im Lager? Werdet ihr das Haus schleifen wie Helens Hütte, wenn der Stamm es übernimmt? Natürlich müsste dem zunächst Kura zustimmen. Noch gehört das Land schließlich ihr.«
    Gloria baute sich vor ihrer Großmutter auf, und in ihren Augen lagen wieder die Wut und der irre Glanz, die sie erfüllt hatten, als sie aus dem Maori-Lager geflohen war.
    »Es gehört mir! Nur mir! Kura Martyn soll ja nicht wagen, es mir wegzunehmen! Und es wird nie jemand anderem gehören, Grandma! Ich bin niemandes Braut. Und ich werde niemandes Frau sein! Ich bin ...« Sie schien noch viel mehr sagen zu wollen, überlegte es sich dann aber anders, drehte sich um und rannte davon wie an diesem Tag schon einmal.
    Jack fühlte sich auf einmal müde.
    »Ich ... würde mich dann gern zurückziehen«, sagte er steif.
    Gwyneira fixierte ihn mit einem wilden Blick. »Ja, zieht euch nur alle zurück!«, fuhr sie ihn an. »Manchmal habe ich es satt, Jack! Manchmal habe ich es einfach nur satt!«
     
    Weder Jack noch Gloria kamen am nächsten Tag zum gemeinsamen Frühstück. Gwyneira, die sich nach ihrem Ausbruch schämte, erfuhr erst von Kiri, wo die beiden sich aufhielten – und dass die Rückzugsstrategien diesmal vertauscht waren: Gloria blieb in ihrem Zimmer und schien sich damit zu beschäftigen, all ihre Maori-Handarbeiten in kleine Stücke zu zerschlagen oder zu zerreißen. Jack dagegen ritt aus und verbrachte den Tag am Ring der Steinkrieger. Gwyneira blieb reichlich Zeit, herauszufinden, was im 
marae
 auf O’Keefe Station wirklich geschehen war. Kiri und Moana berichteten bereitwillig.
    »Tonga wollte verheiraten mit Wiremu. Hat angekündigt, hat gesagt ganzem Stamm. Nur nicht Glory und Wiremu. Aber sie wollten nicht.«
    »Wiremu wollte schon!«, verbesserte Moana.
    »Wiremu wollte 
mana
. Aber er feige ... Glory sehr böse, weil ...«
    »Er wohl nicht geteilt Lager mit ihr«,

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