Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
schien sich hier durchaus zu Hause zu fühlen und machte sich nicht die Mühe, die Türklingel zu bedienen. Das war offensichtlich auch nicht nötig, die große Eingangshalle wirkte wie ein öffentlicher Ort. Sarah Bleachum hatte nicht zu viel versprochen: Lilian und Gloria waren nicht die ersten Mädchen, die an diesem Tag eintrafen. Ein paar andere huschten bereits mit Koffern und Taschen hin und her, kicherten miteinander und schmiedeten aufgeregte Pläne zur Zimmerbelegung. Ein paar ältere Mädchen musterten die Neuankömmlinge. Lilian lächelte ihnen zu, während Gloria den Eindruck machte, sich in Sarahs Röcken verkriechen zu wollen.
    Die junge Gouvernante schob sie sanft von sich.
    »Nun sei nicht so schüchtern, Gloria. Was sollen die anderen Mädchen von dir denken?«
    Gloria schien das völlig egal zu sein. Aber sie löste sich jetzt doch von ihrer Lehrerin und sah sich um. Der Eingangsraum wirkte durchaus wohnlich. Hinter einer Art Rezeption stand eine ältere, mütterlich wirkende Frau und beantwortete geduldig die Fragen der Mädchen. Außerdem gab es Sessel und Teetischchen, anscheinend für wartende Eltern oder Schülerinnen. Ein paar Mütter und Väter waren tatsächlich anwesend und gaben ihren Töchtern letzte Verhaltensanweisungen für das neue Schuljahr.
    »Ich möchte, dass du dich beim Geigespiel mehr anstrengst, Gabrielle!«, hörte Gloria und erschrak. Das Mädchen sah nicht älter aus als sie. Erwartete man etwa, dass sie Geige spielte?
    Der Reverend trat lächelnd an die Rezeption und begrüßte die Dame.
    »Guten Tag, Miss Barnum. Hier bringe ich Ihnen unsere Kiwis! Sagt man nicht so in Neuseeland, Sarah? Die Einwanderer haben sich den Spitznamen selbst gegeben, nach dem Vogel, nicht wahr, Sarah?«
    Sarah Bleachum nickte peinlich berührt. Sie selbst hätte sich nie »Kiwi« genannt.
    »Er ist fast blind ...«, bemerkte Gloria leise. »Und er kann nicht besonders gut fliegen. Aber er kann riechen. Man sieht ihn ganz selten, aber man hört ihn rufen – manchmal die ganze Nacht hindurch, außer bei Vollmond. Er ist ziemlich ... hm ... flauschig.«
    Ein paar Mädchen kicherten.
    »Zwei blinde Vögel!«, lachte die Braunhaarige, die ihre Eltern eben mit Gabrielle angesprochen hatten. »Wie haben sie bloß hergefunden?«
    Gloria errötete. Lilian funkelte die Sprecherin an.
    »Sieht aus, als hätten wir’s gerochen«, gab sie zurück. »Nein – wir sind einfach dahin geflogen, wo man am schlechtesten Geige spielt!«
    Gabrielle schaute verärgert drein, und die anderen Mädchen kicherten schadenfroh. Musik war wohl nicht Gabrielles Stärke.
    Sarah lächelte, tadelte Lilian dann aber pflichtschuldig für ihr loses Mundwerk. Miss Barnum erteilte Gabrielle einen ähnlichen Verweis. Dann wandte sie sich den Neuankömmlingen zu.
    »Herzlich willkommen in Oaks Garden«, begrüßte sie die Mädchen. »Ich freue mich, euch kennen zu lernen. Besonders dich, Lilian, du wohnst nämlich im Westflügel, und da bin ich die Hausmutter. Du bekommst das Mozart-Zimmer. Suzanne Carruthers, eine deine Mitbewohnerinnen, ist auch schon da. Ich stelle euch nachher vor.«
    Glorias Augen weiteten sich. Lilian sprach aus, was sie dachte.
    »Können wir denn nicht zusammenwohnen, Miss Barnum? Wir sind doch Cousinen!« Lilian produzierte ihren unschuldigsten Bitte-bitte-Blick.
    Doch Miss Barnum schüttelte den Kopf. »Gloria ist viel älter als du. Bestimmt möchte sie lieber bei Gleichaltrigen wohnen. Dir wird es auch besser gefallen, wenn du die anderen Mädchen erst kennen gelernt hast. Die Mittelstufe wohnt im Ostflügel, die Jüngeren im Westflügel.«
    »Können Sie nicht mal eine Ausnahme machen?«, erkundigte sich Miss Bleachum. Sie spürte beinahe körperlich, wie Gloria sich wieder verschloss. »Die Mädchen waren noch nie von ihrem Zuhause weg ...«
    »Das geht den anderen Schülerinnen hier nicht anders«, erklärte die Hausmutter streng. »Tut mir leid, Mädchen, aber ihr werdet euch schon eingewöhnen. Und jetzt lernt ihr erst mal Miss Arrowstone kennen. Sie erwartet Sie in ihrem Büro, Reverend. Sie wissen ja, wo das ist.«
    Das Büro der Rektorin befand sich im ersten Stock des Hauptgebäudes, in dem auch das Lehrerzimmer und einige Klassenräume lagen. Der Weg dorthin führte über eine geschwungene, aufwändig gestaltete Treppe, vorbei an opulenten Gemälden, die Szenen aus der griechischen und römischen Mythologie zeigten. Lilian betrachtete sie neugierig.
    »Warum reitet das Mädchen eine Kuh?«,

Weitere Kostenlose Bücher