Der Ruf der Kiwis
gefragt werden«, rügte sie. »Ansonsten ist es natürlich sehr erfreulich, dass du dich zu diesem Instrument hingezogen fühlst. Du bist Lilian Lambert, nicht wahr? Eine Nichte von Mrs. Martyn?«
Kura-maro-tini hatte hier offensichtlich Eindruck gemacht, was Miss Arrowstone auch gleich näher erläuterte.
»Miss Kura-maro-tini Martyn hat unser Haus persönlich besucht, um ihre Tochter anzumelden«, erklärte sie Sarah und Christopher. »Wobei sie uns die Freude eines kleinen Privatkonzerts gemacht hat. Die Mädchen waren alle tief beeindruckt und freuen sich schon sehr auf dich, Gloria.«
Gloria biss sich auf die Lippen.
»Auf dich natürlich auch, Lilian. Ich bin sicher, unsere Musiklehrerin, Miss Tayler-Bennington, wird dein Pianospiel zu schätzen wissen. Möchten Sie nun einen Tee, Miss Bleachum ... Reverend? Die Mädchen können ja schon mal hinuntergehen. Miss Barnum wird ihnen ihre Zimmer zeigen.«
Miss Arrowstone trank offensichtlich mit Eltern und Verwandten ihrer Zöglinge Tee, würde sich aber niemals auf die Ebene ihrer Schülerinnen hinunterbegeben und den Mädchen ebenfalls welchen anbieten.
»O ja, ich wohne im Westflügel!«, erklärte Lilian gewichtig. Das mit dem Sprechverbot ohne vorherige Aufforderung hatte sie schon wieder vergessen. »Ich bin die ›Lily of the West‹!«
»Lilian!«, rügte Sarah entsetzt, während der Reverend laut losprustete. Miss Arrowstone runzelte die Stirn. Sie schien die Geschichte der
Lilie des Westens
, einer untreuen Bardame, die ihren Liebsten ins Verderben stürzt, zum Glück nicht zu kennen. Solche Songs spielte man in Pubs, nicht in Salons.
Gloria warf ihrer Lehrerin einen verzweifelten Blick zu.
»Geh einfach mit, Glory«, meinte Sarah sanft. »Miss Barnum wird dich deiner eigenen Hausmutter vorstellen. Bestimmt wirst du dich wohlfühlen.«
»Und verabschiede dich schon mal von deiner Lehrerin«, fügte Miss Arrowstone hinzu. »Vor dem nächsten Sonntagsgottesdienst wirst du sie sicher nicht wiedersehen.«
Gloria versuchte, sich zu beherrschen, doch ihr Gesicht war tränenüberströmt, als sie vor Miss Bleachum knickste. Sarah konnte nicht anders. Sie zog das Mädchen an sich und küsste es zum Abschied.
Miss Arrowstone betrachtete dies mit deutlicher Missbilligung.
»Die Kleine ist zu sehr auf Sie fixiert«, bemerkte sie, als die Mädchen den Raum verlassen hatten. »Es wird ihr guttun, sich ein wenig von Ihnen zu lösen und auf andere Menschen zuzugehen. Und Sie«, wieder dieses verschwörerische Lächeln, »werden in absehbarer Zeit ja sicher eigene Kinder haben.«
Sarah errötete tief.
»Ich wollte meinen Beruf vorerst eigentlich nicht aufgeben«, machte sie einen weiteren Vorstoß in Richtung Anstellung. »Im Gegenteil wäre ich gern noch ein paar Jahre im Schuldienst tätig und wollte in diesem Zusammenhang fragen ...«
»Wie stellen Sie sich das denn vor, meine Liebe?«, fragte Miss Arrowstone zuckersüß und goss Sarah Tee ein. »Der Reverend braucht Sie doch an seiner Seite. Ich weiß ja nicht, wie das auf der anderen Seite der Erdkugel gehandhabt wird, aber in unserem Schulsystem sind Lehrerinnen grundsätzlich unvermählt.«
Sarah fühlte die Falle hinter sich zuschnappen. Miss Arrowstone würde sie bestimmt nicht einstellen. Also gab es nur noch die Möglichkeit, sich im Ort um eine Stellung als Hauslehrerin zu bemühen. Aber einen besonders begüterten Eindruck hatte da niemand gemacht. Und wahrscheinlich wollten auch die Matronen im Dorf dem »Glück ihres Reverends« nicht im Wege stehen. Sie würde ein ernstes Wort mit Christopher reden müssen. Im Grunde sprach es ja für ihn, dass er so offensichtlich fest entschlossen war, Sarah nur aufgrund einer in Briefen beschworenen, vagen Seelenverwandtschaft zu ehelichen. Aber ein paar Wochen der Entscheidung musste er Sarah mindestens lassen. Sie warf einen scheuen Seitenblick auf den Mann neben ihr. Würden ein paar Wochen reichen, um ihn wirklich kennen zu lernen?
Gloria wurde einer Miss Coleridge vorgestellt, der Hausmutter des Ostflügels. Miss Coleridge war älter als Miss Barnum und schien ansonsten ihr genaues Gegenteil zu sein. Statt rundlich und mütterlich wirkte sie hager und streng.
»Du bist Gloria Martyn? Von deiner Mutter hast du aber gar nichts!« Aus Miss Coleridges Mund klang es deutlich missbilligend.
Gloria verzichtete diesmal auf das Nicken. Miss Coleridge warf ihr einen weiteren, eher ungnädigen Blick zu und konzentrierte sich dann auf ihre
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