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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Ich habe mit Marama gesprochen, und sie schickt uns ihre drei Söhne. Was Tonga dazu sagt, ist ihr egal. Womöglich schließen sich noch weitere an, ich habe den doppelten Lohn geboten. Und jetzt reite ich. Ich nehme Ceredwen, Gloria, wenn es dir recht ist. Sie ist am besten trainiert.«
    Jack war immer noch wie in Trance. »Sie hat Recht, du bist verrückt ...« Er hatte noch nie so mit seiner Mutter gesprochen, doch Gwyneiras Vorhaben erschien ihm ungeheuerlich. »Du bist über achtzig Jahre alt. Du kannst keinen Viehtrieb mehr führen!«
    »Ich kann, was ich muss. Ich habe einen Fehler gemacht, jetzt werde ich ihn ausbügeln. Die Tiere müssen herunter, es sind Schneestürme gemeldet. Und da sonst niemand willens und fähig ist ...«
    »Mutter, hör auf, 
ich
 reite.« Jack richtete sich auf. Er hatte sich einen Augenblick zuvor noch müde und entmutigt gefühlt, aber Gwyneira hatte Recht: Man tat, was man tun musste. Und er konnte das Lebenswerk seiner Eltern – und Glorias Erbe – nicht im Schneesturm untergehen lassen.
    »Ich reite mit«, sagte Gloria, ohne zu zögern. »Mit den Hunden schaffen wir jeder die Arbeit von drei Männern. Und die Schafe werden sich drängen, nach Hause zu kommen.«
    Jack wusste, dass es nicht so war. Bei schlechtem Wetter waren die Tiere eher desorientiert und ließen sich deutlich schlechter handhaben als gewöhnlich. Aber das würde Gloria bald genug selbst merken.
    »Hast du Packpferde satteln lassen?«, fragte er seine Mutter. »Und streite jetzt bitte nicht mit mir, die Sache ist klar. Wir reiten, und du bereitest hier alles vor. Such in Haldon jemanden, der dir hilft – das muss sich telefonisch organisieren lassen. Und sieh zu, dass du Hafer und Weizen bestellst, die Schafe müssen wieder zu Kräften kommen nach dem Weg durch den Sturm. Wir werden sie in die Scherschuppen treiben und in die alten Kuhställe. Sie müssen raus aus dem Regen. Und danach ... Aber das können wir später besprechen. Sieh den Inhalt der Satteltaschen durch, Gloria. Mutter, sag ihr, was sie braucht. Viel Whiskey auf jeden Fall, es wird kalt werden. Da brauchen die Leute Wärme von innen. Ich gehe in den Stall und sehe nach den Männern.«
    Jack hatte seit seiner Verwundung noch nicht so viele Worte an einem Stück gesagt, vor allem nicht in diesem Ton. Corporal McKenzie war vor Gallipoli gestorben. Plötzlich schien Jack McKenzie wieder da zu sein, der Vormann von Kiward Station.
     

10
    Vor den Ställen warteten Maramas Söhne, Kura-maro-tinis Halbgeschwister. Der jüngste war gerade erst fünfzehn und erwartete ganz aufgeregt das Abenteuer. Es hatten sich noch zwei weitere Maori-Viehhüter angeschlossen, beides erfahrene Männer mit viel 
mana
, die es wagten, Tonga zu trotzen. Ein dritter ließ Jack verwundert die Stirn runzeln: Wiremu.
    »Hast du jemals mit Schafen gearbeitet?«, fragte Jack unwillig. Ihm wollte kein Grund einfallen, Tongas Sohn abzulehnen, aber er wusste nicht, wie Gloria auf ihn reagieren würde.
    Wiremu schüttelte den Kopf. »Nur als kleiner Junge. Dann wurde ich in die Stadt geschickt. Aber ich kann reiten. Und ich denke, ihr braucht jeden Mann.« Er senkte den Kopf. »Ich denke, dass ich Gloria etwas schulde.«
    Jack zuckte mit den Schultern. »Dann lassen wir das Gloria entscheiden. Ihr wisst, Männer, das wird ein harter Ritt, und es ist nicht ungefährlich. Wir sollten so bald wie möglich aufbrechen, das Wetter wird eher schlechter als besser, wenn man den Warnungen glauben darf. Also lasst euch Pferde anweisen.«
    Im Stall traf Jack auf die drei verbleibenden 
pakeha
, alles junge, ungeschulte Leute, die gerade mal drei Pfiffe für die Hunde kannten. Er seufzte. Mit einer so bunt zusammengewürfelten Truppe war er noch nie zum Viehtrieb geritten – und gleichzeitig war es nie ein so gefährlicher Ritt gewesen. Es widerstrebte ihm, den kleinen Tane mitzunehmen. Aber wie Wiremu sagte: Sie brauchten jeden Mann.
    Gloria trug ein breites Maori-Stirnband unter der Kapuze, um ihr Haar zu bändigen. Sie hatte es in der letzten Ecke ihres Schrankes gefunden und keine Zeit für modische Überlegungen gehabt. Sie hoffte, dass die Webarbeit obendrein ihre Ohren warm halten würde, wenn es wirklich zum Schneesturm kam.
    Es regnete in Strömen, als sie schließlich abritten, elf Reiter, fünf Packpferde. Der Tag war mehr als unerfreulich; es schien nicht richtig hell werden zu wollen. Jack führte das auf die Zusammenballung der Wolken über den Alpen zurück, die das

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