Der Ruf der Kiwis
weniger zu kämpfen.« Jack hustete erneut.
Gloria beförderte ein Gläschen Rongoa-Sirup hervor. »Nimm einen Schluck.« Sie führte ihm die Flasche an die Lippen, als er nicht reagierte.
»Du hast Fieber«, sagte sie besorgt.
»Ist nur der Wind ...«, flüsterte Jack. Gloria sah, dass er zitterte. Sie suchte seinen Schlafsack und knöpfte ihn auf. Jack schaffte es kaum, hineinzukriechen. Gloria half ihm, den Schlafsack zu schließen, doch sie beobachtete besorgt, dass ihm auch dann nicht wärmer wurde.
»Soll ich nachsehen, ob die anderen irgendwie Tee kochen konnten?«, fragte sie. Sie wollte nicht zu den anderen Zelten gehen; obendrein tobte draußen weiterhin der Sturm. Doch sie sorgte sich sehr um Jack.
Jack schüttelte den Kopf. »Bei dem Sturm ... brennt kein Feuer ...« Er schlotterte am ganzen Körper. »Glory, ich ... ich tu dir nichts, das weißt du. Mach einfach dein Bett und versuch zu schlafen.«
Gloria war unschlüssig. »Und du?«
»Ich schlafe auch«, meinte Jack.
»Du musst die nassen Sachen ausziehen.«
Jack hatte beim Hineinfallen ins Zelt nur den durchweichten Regenmantel abgeworfen. Sein feuchtes Hemd und die Breeches sollten von allein trocknen. Aber so würde ihm nie warm werden.
Er blickte Gloria skeptisch an.
»Es macht mir nichts aus«, sagte sie. »Ich weiß, dass du mir nichts tust.«
Abgewandt von seinem Lager kramte sie ein trockenes Flanellhemd und Denimhosen aus seinen Satteltaschen. Jack schälte sich aus seiner feuchten Kleidung. Er zitterte fast zu sehr, um die trocknen Sachen überzustreifen. Die Anstrengung ließ ihn dann erneut husten. Gloria hockte besorgt in ihrer Ecke und sah zu ihm hinüber.
»Du bist krank ...«
Jack schüttelte den Kopf. »Geh schlafen, Gloria.«
Gloria löschte die Laterne, mit der sie das Zelt notdürftig erhellt hatten. Jack lag im Dunkeln, versuchte, sich zu wärmen, und hörte auf ihr Atmen. Gloria lag angespannt da und lauschte auf seines. Stunden schienen zu vergehen, während Jack nach wie vor keuchte und zitterte. Schließlich richtete Gloria sich auf und schob sich zu ihm hinüber.
»Du hast Fieber«, sagte sie. »Und Schüttelfrost.«
Er antwortete nicht, doch sein schlotternder Körper sprach für sich. Gloria rang mit sich. Ohne Wärmequelle würde er keinen Schlaf finden und am kommenden Morgen noch schlimmer dran sein. Sie dachte an seinen Brief aus dem Sanatorium. Seine Lunge war nicht in Ordnung. Er könnte sterben ...
»Du wirst mich nicht anfassen, ja?«, fragte sie leise. »Fass mich bloß nicht an ...« Dann knöpfte sie mit zitternden Fingern seinen Schlafsack auf und schlüpfte hinein. Sie spürte seinen mageren Körper neben sich und schmiegte sich an ihn, um ihm Wärme zu spenden. Jacks Kopf sank an ihre Schulter, und er schlief endlich ein.
Gloria wollte wach bleiben, auf keinen Fall die Kontrolle verlieren, aber dann forderten die Anstrengungen des Tages auch von ihr Tribut. Als sie erwachte, lag sie zusammengerollt da, wie sie immer schlief. Und Jack hatte den Arm um sie gelegt.
Gloria wollte sich in Panik befreien, aber dann merkte sie, dass er immer noch schlief. Und er hatte sie nicht angefasst. Seine Hand war offen, sein Arm schien nur eine Art beschützendes Nest zu bilden. Auf ihrer anderen Seite lag Nimue, neben ihm Tuesday. Gloria musste beinahe lächeln. Schließlich löste sie sich vorsichtig aus Jacks Umarmung – es war ihr weniger peinlich, wenn er dabei nicht erwachte. Aber dann öffnete er doch die Augen.
»Gloria ...«
Gloria erstarrte. Niemand hatte ihren Namen je so sanft, so zärtlich ausgesprochen. Sie schluckte und räusperte sich.
»Guten Morgen. Wie ... wie geht’s dir?«
Jack wollte ihr versichern, dass es ihm gut ginge, aber das war nicht die Wahrheit. Sein Kopf schmerzte, und er kämpfte schon wieder mit dem Hustenreiz.
Vorsichtig legte Gloria ihm die Hand auf die Stirn. Sie glühte. »Du musst liegen bleiben.«
Jack schüttelte den Kopf. »Da draußen warten ein paar tausend Schafe«, sagte er, scheinbar fröhlich. »Und es scheint nicht mehr zu schneien.«
Das stimmte tatsächlich, aber der Himmel war grau und verhangen, und der Schnee vom Vortag war teilweise liegen geblieben. Gloria graute schon vor dem Ritt bei diesem Wetter. Jack hatte das Gefühl, als würde der Dunst sich wie ein Film auf seine Lungen legen.
Bei den Zelten der
pakeha
-Viehhüter brannten bereits Feuer.
»Wir sollten sehen, dass wir heißen Tee bekommen. Und dann so schnell wie möglich
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