Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
Telefons unterbrach Gwyneiras trübe Gedanken. Die Vermittlung meldete ein Gespräch aus Christchurch. Kurz darauf hörte Gwyneira die Stimme George Greenwoods.
    »Miss Gwyn? Ich wollte eigentlich Jack sprechen, aber Sie können es ihm ja bestellen. Er möchte Charlottes Aufzeichnungen jetzt wirklich bereithalten, der Experte aus Wellington kommt übernächste Woche.«
    Georges Stimme klang lebhaft und fröhlich. »Und raten Sie, wen er mitbringt, Miss Gwyn! Ich habe ja von der ganzen Heimlichtuerei nicht viel gehalten, aber meine Frau und Elaine spielen einfach mit Genuss Mata Hari! Jedenfalls schickt Wellington tatsächlich Ben Biller, und Lilian wird ihn begleiten. Wobei der Junge von den familiären Verwicklungen keine Ahnung hat. Lily führt ihn genauso hinters Licht wie Elaine ihren Tim.«
    Gwyneiras Laune hellte sich etwas auf. »Sie meinen, Lily kommt her? Mit dem kleinen ... wie heißt er noch gleich?«
    »Galahad«, meinte George. »Sehr seltsamer Name. Keltisch, nicht? Nun, wie auch immer ... ja, sie kommt. Und höchstwahrscheinlich auch Elaine und ihr Tim. Kiward Station ist doch ein viel besserer Ort für so ein Wiedersehen als mein kleines Haus. Machen Sie sich bereit, Miss Gwyn, Sie werden alle Zimmer belegt haben!«
    Gwyneiras Herz schlug vor Freude schneller. Alle Zimmer belegt! Ein herumkrakeelendes Baby, die Neckereien zwischen Lilian und Elaine ... Und Lily hatte es immer geschafft, selbst Gloria zum Lachen zu bringen! Es würde wundervoll werden. Vielleicht sollte sie auch Ruben und Fleurette einladen ...
    »Ach ja, und von Maaka soll ich Ihnen noch etwas bestellen«, sprach George weiter, jetzt in eher geschäftsmäßigem als fröhlichem Tonfall. »Sie möchten möglichst unverzüglich diesen Wilkenson losschicken und die Schafe eintreiben lassen. Die Meteorologen und die Maori-Stämme aus dem Hochland sagen schwere Stürme voraus. Ein erneuter Wintereinbruch, über den Alpen braut sich was zusammen. Wieso haben Sie die Schafe überhaupt schon draußen, Miss Gwyn? So früh im Jahr ...«
    Gwyneiras Hochstimmung war wie ausgelöscht. Ein erneuter Wintereinbruch ... Maori-Stämme, die hinunter in die Plains wanderten, weil ihre 
tohunga
 Schneestürme befürchteten ...
    Gwyneira verabschiedete George kurz und trank einen weiteren Whiskey. Dann tat sie, was sie tun musste.
     
    Jack klopfte an Glorias Zimmertür. Er hatte Charlottes letztes Notizbuch nicht gefunden, und eigentlich konnte es nur noch bei Gloria sein. Schließlich hatte sie ihn neulich erst auf eine der Aufzeichnungen hingewiesen. Sie musste die Texte also gelesen haben.
    Und vielleicht ließ Gloria sich auch noch auf ein kurzes Gespräch ein. Jack fühlte sich einsam nach der unerfreulichen Unterredung mit seiner Mutter. Immerhin hatte Gwyneira sich einsichtig, ja sogar schuldbewusst gezeigt. Sie gab ihm in der Sache mit Wilkenson Recht und hatte halbwegs versprochen, darüber auch noch mit Gloria zu reden. Aber das Gespräch insgesamt war deprimierend gewesen. Gwyneira hatte so krank und alt ausgesehen – und völlig überfordert mit der neuen Situation. Jack hatte versucht, sie seiner Hilfe zu versichern. Aber er wusste nicht recht, wie die aussehen sollte. Früher war man in so einem Fall nach Haldon geritten, hätte im Pub ein Bier bestellt und lauthals kundgetan, dass Kiward Station Viehhüter suchte. Meistens lief einem dann gleich der eine oder andere Abenteurer zu. Aber machte man das heute auch noch? Und konnte Jack sich dazu überwinden?
    Gloria öffnete die Tür nur einen Spalt.
    »Ich nehme an, du suchst das hier ...« Sie reichte ihm die Kladde durch die enge Öffnung und ließ sich dabei kaum sehen. Jack erhaschte nur einen Blick auf ihr gerötetes Gesicht. Hatte sie geweint? Ihre dicken Locken standen wirr um ihren Kopf, als habe sie sich das Haar gerauft, statt es zu bürsten.
    »Ist etwas, Gloria?«, fragte Jack.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nichts. Ich ... hier ist dein Buch.«
    Gloria schloss die Tür, bevor er weiterfragen konnte. Jack zog sich kopfschüttelnd zurück. Die Kladde in seiner Hand schien dicker als die anderen, sie schloss nicht richtig, als hätte jemand etwas zwischen die Seiten gesteckt. Jack nahm das Buch mit in sein Zimmer und öffnete es dann im Licht der neuen elektrischen Lampen.
    Was er sah, ließ ihn frösteln.
     
    Eine dunkle Stadt, aufragend vor einem sternlosen Himmel. In den Schluchten zwischen den Häusern lachte der Teufel – und ein Schiff verließ den Hafen. Jack sah die

Weitere Kostenlose Bücher