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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Genuss. Das musste Liebe sein, dieses Vergehen und Dahinfließen in den Armen des anderen. Seelenverwandtschaft war Freundschaft, aber dies ... dies war Liebe ... ganz sicher.
    Natürlich kannte Sarah Bleachum auch das Wort »Begehren«. Aber im Zusammenhang mit Christopher oder gar mit sich selbst war es für sie undenkbar. Was sie hier empfand, sollte etwas Gutes sein, etwas Heiliges – Liebe eben, wie sie gesegnet war, wenn das Paar sich verlobte.
     
    Für Christopher Bleachum war die vorsichtige Annäherung an Sarah eher Mühsal als Genuss. Natürlich hatte er gewusst, dass sie prüde sein würde. Lehrerinnenseminare waren kaum besser als Nonnenklöster, von Erzieherinnen wurde Enthaltsamkeit erwartet, und die jungen Frauen standen unter strenger Aufsicht. Aber insgesamt hatte er doch gehofft, sie schneller erwecken zu können, zumal er an langwierigen Werbungen keinen Gefallen fand. Christopher liebte es, verführt zu werden. Er war es gewohnt, dass Frauen ihn anschmachteten, und er verstand sich darauf, ihre leisesten Signale zu deuten. Ein Augenaufschlag, ein Lächeln, ein Nicken ... Es brauchte nicht viel, um Christopher zu entflammen, zumal wenn die Frau schön war und einladende Rundungen aufwies. Dann begann er ein verbotenes Spiel, das er virtuos beherrschte. Der Reverend erging sich in Andeutungen und kleinen Schmeicheleien, er lächelte, wenn die Frauen scheinbar verschämt erröteten, ihm dann aber doch die Hand reichten und wohlig erschauerten, wenn er sie erst mit seinen Fingern, dann mit den Lippen liebkoste. Letztendlich waren es auch immer die Frauen, die mehr wollten und dafür meist verschwiegene Orte wählten. Die mit all dem verbundenen Heimlichkeiten erregten Christopher zusätzlich, und sie erlaubten ihm, schnell zur Sache zu kommen. Auch deshalb bevorzugte er erfahrene Frauen. Die langsame Einweihung einer Jungfrau in die Freuden der Liebe bereitete ihm kein Vergnügen.
    Genau das aber schien Sarah zu fordern. Wie es aussah, verstand sie gerade so viel von körperlicher Liebe, dass sie sich zwar davor fürchtete, andererseits aber wusste, dass Genuss damit verbunden war. Stocksteif unter ihm liegen ohne sich jemals darüber zu beklagen, würde sie nicht. Und sie hatte ihm immer noch kein ausdrückliches Ja-Wort gegeben! Nicht auszudenken, dass sie es sich anders überlegte, nachdem er sie nun schon dem ganzen Sprengel als seine künftige Gattin vorgestellt hatte! Er war auch nach wie vor davon überzeugt, dass sie sich zur Pfarrersfrau eignete – obwohl es anfänglich ein paar Differenzen gegeben hatte.
    Sarah war klug und hochgebildet; wenn er sie noch ein bisschen formte, konnte sie ihm viele Aufgaben in der Gemeinde abnehmen. Leider zeigte sie sich oft etwas renitent. Christopher mochte es gar nicht, wenn sie mit dem Martyn-Mädchen herumzog, statt sich in der Gemeinde zu engagieren. Immerhin war sie kompromissfähig. Seit der Debatte um den Darwinismus ließ sie biblische Geschichten weitgehend unkommentiert, entzog sich aber gern dem Auftrag zur religiösen Erziehung der Sonntagsschüler. Stattdessen wanderte sie mit ihnen hinaus in die Natur, um ihnen Gottes schöne Welt zu zeigen, und sie lernten dabei mehr über Pflanzen und Tiere denn über Nächstenliebe und Bußfertigkeit. Bisher hatte sich hier allerdings niemand beschwert, und im Winter würde es ganz von allein ein Ende finden.
    Christopher war durchaus optimistisch, was die Umformung seiner etwas blaustrümpfigen Cousine zur braven Pfarrersfrau anging. Bezüglich des Anliegens des Bischofs, der sie eher als Bollwerk gegen Anfeindungen der Tugend seines viel zu gut aussehenden Gemeindepfarrers sah, machte der Reverend sich weniger Hoffnung. Natürlich würde er versuchen, treu zu sein – aber schon jetzt langweilte ihn Sarah und die umständliche Werbung, die sie ihm abforderte. Immerhin fiel es ihm nicht schwer, sich zurückzuhalten. Sarah war nicht hässlich, aber ihr fehlten die geschmeidigen Bewegungen, die ihn schon beim Anblick von Frauen wie Mrs. Walker erregten, und obendrein erschien sie ihm flach wie ein Brett unter ihren züchtigen Kleidern. Sarah Bleachum zu ehelichen war eine Entscheidung der Vernunft. Liebe oder auch nur innige Zuneigung empfand Christopher nicht.
     
    »Ich glaube nicht, dass der Reverend in Miss Bleachum verliebt ist«, plapperte Lilian, als sie neben Gloria zurück zur Schule schlenderte.
    Gloria war froh, sie bei sich zu haben, denn über die Vorbereitungen zum Gemeindefest war es spät

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