Der Ruf der Pferde
ruhig. Doch Ethan, der ihr Gesicht aufmerksam beobachtete, merkte sehr genau, dass sie sich am Rande ihrer Beherrschung befand.
Vorsichtig griff er zu Patricia hinüber und nahm ihre Hand in seine. Ihre war kalt und Ethan spürte die Spannung, unter der sie stand. Als Patricia ihm ihre Hand nach einigen Momenten beinahe hastig entzog, nahm er es ihr nicht übel. Sie ertrug jetzt wohl einfach keine Berührung, das war zu verstehen.
»Und wisst ihr, was das Fürchterlichste ist?« Patricia sprach fast unhörbar und schaute keinen an.
Damian und Ethan beugten sich synchron vor, um besser zu verstehen, was sie sagte. Patricia schien es nicht zu merken, es kam Ethan so vor, als redete sie nur für sich.
»Als ich neulich auf Emily losging«, sagte sie leise, »und auf sie einschlug, da...«Sie stockte und schluckte hart. »...dahab ich auf einmal nur noch Gavin vor mir gesehen. Und ich hab in die sem Moment auf ihn eingeschlagen. Ich hatte plötzlich so eine furchtbare Wut auf ihn. Er ist einfach abgehauen und hat mich al lein gelassen. Und das alles nur aus reinem Blödsinn, weil er nie kapieren wollte, wann Schluss mit lustig ist. Das hat er schon so gemacht, als wir noch klein waren – nur Unsinn im Kopf, ohne sich um die Folgen zu kümmern.« Patricia hielt inne und holte tief Atem. »Ich hatte in diesem Augenblick so einen Zorn auf ihn.« Ihre Stimme erstarb.
Damian nickte langsam. »Und jetzt quält dich das schlechte Gewissen?«
Patricia richtete ihren Blick auf ihn. »Ich hab dadurch Dallis in Gefahr gebracht«, sagte sie leise. »Nur weil ich so furchtbare Gedanken hatte, muss sie jetzt sterben. Und dabei kann sie doch gar nichts dafür!« Ihre Stimme brach.
Ohne zu überlegen, wandte sie sich um, lehnte sich gegen Damians Brust und weinte, dass es sie nur so schüttelte.
Damian hielt sie fest, streichelte ihren Rücken und murmelte hilflose Trostworte.
Ethan betrachtete die beiden und in ihm stieg ein Schmerz auf, den er noch nie zuvor empfunden hatte.
Schwerfällig stand er auf und ging davon.
24.
»Nein, Patricia, das kommt überhaupt nicht infrage.« Mr Mackintosh blickte seine Tochter ärgerlich an. »Wie kommst du denn überhaupt auf so eine Idee?«
Patricia sah zu Boden. »Patricia, Liebes, das geht nicht. Versteh das doch!« Patricias Mutter machte ein kummervolles Gesicht. »Ich verstehe ja, dass du dir Sorgen um dieses Pony machst, aber dein Vater hat recht. Was willst du denn mit so einem Tier in Edinburgh anfangen? Wenn du reiten möchtest, dann hast du doch zu Hause genügend Pferde!«
»Darum geht es doch gar nicht!« Patricia war erschöpft. Wie war sie bloß auf den Gedanken verfallen, ihre Eltern um Hilfe zu bitten! Sie hätte sich denken können, dass sie ihr Problem nicht ernst nahmen.
Wobei sie es ihnen im Grunde nicht einmal übel nehmen mochte. Die ganze Geschichte war schließlich so absurd und regelrecht unwirklich, dass kein vernünftiger Mensch so etwas glauben würde. Vor allem wenn er die Hintergründe nicht kannte und Patricia hatte ihren Eltern auf die Schnelle auch nur in groben Zügen berichtet.
Doch schon während ihrer Erzählung wurde ihr bewusst, dass sie sich den Atem auch hätte sparen können. Ihre Eltern bemühten sich natürlich, Anteilnahme zu zeigen – Desinteresse durfte sie ihnen nicht vorwerfen. Ihre Erleichterung über das wiedergekehrte Interesse ihrer Tochter an Pferden ließ sie sogar weitaus mehr Geduld entwickeln, als Patricia zu hoffen gewagt hatte. Das ganze Ausmaß des Problems begriffen sie allerdings nicht. Ebenso wenig, wie es ihnen verständlich zu machen war, dass Patricias Einfall, Dallis zu kaufen und mit nach Edinburgh zu nehmen, aus einer reinen Notlage heraus entstanden war. Patricia wusste natürlich selbst, dass es keine besonders gute Lösung war. Immerhin hatte Dallis ihr ganzes Leben in den Highlands verbracht und würde sich mit der Umstellung auf das vergleichsweise triste Dasein in der Großstadt sicher nicht leichttun. Schon nach den beiden Tagen, die Dallis jetzt gezwungenermaßen im Stall stand, fiel Patricia auf, dass sie immer trübsinniger wurde. Die dunkle Enge der Box, die mangelnde Bewegungsmöglichkeit sowie das Fehlen der gewohnten Artgenossen machten ihr sichtlich zu schaffen. Und selbst eine komfortablere Unterbringung, wie sie ihr bei Helen oder in einem anderen der Edinburgher Reitställe zur Verfügung stand, würde Dallis wohl nicht vollkommen über den Verlust der Koppel hinwegtrösten. Hier hatte das Pony
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