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Der Ruf der Steine

Der Ruf der Steine

Titel: Der Ruf der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Goshgarian
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sie auf der anderen Seite des Hügels zwei neue Quadrate freigelegt. Andy blieb stets in Peters Nähe. Entweder half er mit seiner roten Plastikschaufel und dem kleinen Eimer bei der Ausgrabung, oder er baute mit Sparky und Jackie eine Sandburg. Das Heimweh von gestern war vergessen. Peter selbst fühlte sich durch die physische Anstrengung von Stunde zu Stunde befreiter und zunehmend wieder als normaler Mensch.
    Das Ergebnis war leider genauso mager wie gestern – offenbar bestand der gesamte kuppelförmige Hügel über den Steinen aus nichts anderem als feinem Sand, Muschelbruchstücken und Kieselsteinen.
    Peter zweifelte nicht länger daran, dass die Steine absichtlich zugeschüttet worden waren. Doch dass es sich um Grundsteine einer Kapelle handeln sollte, wollte ihm noch immer nicht gefallen. Für ein steinernes Gebäude reichten sechs kleine Feldsteine als Nachweis nicht aus, und gegen eine Holzkonstruktion sprach eindeutig die Lage des Fundortes auf dem östlichsten und zugleich höchst gelegenen Punkt der Insel, der allen Stürmen schutzlos ausgeliefert war. Es war immerhin möglich, dass die Einwohner die Balken beseitigt und als Brennholz verwendet und die Feldsteine verbaut hatten, aber das beantwortete trotzdem nicht die Frage, weshalb man die Grundsteine unter diesem hohen Sandberg begraben hatte.
    Peter beschloss, noch drei Tage auf dieselbe Art fortzufahren und, wenn sie nichts Bemerkenswertes zutage förderten, anschließend den Bagger einzusetzen.
    Am Ende des Arbeitstages war Andy verschwitzt, müde und schmutzig, sodass Jackie und Sparky vorschlugen, schon mit ihm nach Hause zu gehen, während Connie Peter beim Zusammenräumen der Werkzeuge und Abdecken der Ausgrabungsquadrate helfen würde. Im ersten Moment zögerte Peter, doch die Kellehers legten heilige Eide ab, dass sie ihn keine Sekunde aus den Augen lassen würden.
    Nach dem Aufräumen ruhten sich Peter und Connie auf einem der Steine aus, blickten aufs Meer hinaus und teilten sich eine Limonade aus der Dose. Connies Gesicht war von der Sonne gezeichnet. Den halben Tag über hatte sie auf Händen und Knien in der Erde gekratzt und dann noch einmal einen halben Tag lang gesiebt. Die Jeans und das T-Shirt waren völlig eingestaubt. Sie löste ihr Haar und ließ es im Wind wehen. »Ich hätte nie gedacht, dass Archäologie so anstrengend ist.«
    »Zwei Prozent Inspiration – der Rest ist Schweiß.«
    »Irgendwie gefällt mir das Graben. Wenn ich mich schmutzig mache, fühle ich mich in die Kindheit zurückversetzt.« Sie trank einen Schluck, als er ihr die Dose reichte. »Es muss ungeheuer spannend sein, wenn man tatsächlich etwas findet.«
    »Nach drei Tonnen Dreck hältst du selbst einen alten Knopf für den Heiligen Gral.«
    Connie lachte. »Ich bin richtig froh, dass ich mich für dieses Projekt entschieden habe.«
    »Ich auch.« Die Worte schwebten wie Schmetterlinge in der Luft.
    »Fast hätte ich mich in letzter Minute anders entschieden.« Ihre grünen Augen blitzten, als sie die Sonnenbrille abnahm. »Ich hatte die Wahl zwischen Kingdom Head und drei Wochen Hedonismus pur auf Jamaika.«
    Peter deutete auf die gesiebten Sandberge. »Das alles wolltest du dir entgehen lassen?«
    Sie lächelte. »Ein Satz im Earthwatch-Katalog hat den Ausschlag gegeben: Unter heißer Sonne werden Sie viele Stunden lang die Fundamente einer Kapelle aus der Kolonialzeit freilegen. Toll, was?«
    »Wolltest du Ferien machen oder Buße tun?«
    »Vermutlich beides«, antwortete sie und schob die Brille wieder auf die Nase. »Ich sammle für mein Leben gern neue Erfahrungen, und Hedonismus ist auf die Dauer ziemlich langweilig.«
    Peter wusste nicht, wie er unauffällig auf ihre Scheidung zu sprechen kommen könnte, und so wählte er den direkten Weg. »Weshalb hast du dich scheiden lassen?«
    Sie sah ihn über die Brillengläser hinweg an. »Eine ganz schön unverfrorene Frage, nicht wahr?«
    »Ich verdiene meinen Lebensunterhalt schließlich mit Erdarbeiten.«
    »Ha-ha!« Sie überlegte einen Moment. »Wie soll ich das beantworten? Irgendwie ist uns die Liebe abhanden gekommen. Mars und Venus stimmten nicht länger überein.« Sie lachte leise. Sparky hatte ihr am Nachmittag ein Horoskop erstellt. Connie war Jungfrau mit jeder Menge ausgefallener planetarischer Einflüsse, die sie als analytisch und kritisch beschrieben. Peters Horoskop war noch in Arbeit. Auf jeden Fall war er Löwe. Wenn es nach ihm ginge, könnte er genauso gut ein Känguru sein.

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