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Der Ruf der Steine

Der Ruf der Steine

Titel: Der Ruf der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Goshgarian
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nicht aufziehen. Ich habe lediglich einige deiner Artikel gelesen, darunter auch das Interview mit dem Durham Ledger. «
    »Auch die Entgegnungen?«
    Sie nickte. »Macht es dir etwas aus?«
    »Was? Ein Aussätziger zu sein?«
    »Du hast doch klar gesagt, dass es sich nur um Spekulationen handelt. In meinen Ohren klingen die Entgegnungen schrill und arrogant.«
    »Dank der ewigen Sorge, dass es sich bei der Archäologie nicht um eine exakte Wissenschaft handeln könnte, darf man weder spekulieren noch etwas als gegeben voraussetzen. Und genau das habe ich getan. Tja, meine romantische Ader.«
    »Vermutlich hast du einiges zu hören bekommen.«
    » Verdammt, Peter, das ist eine Täuschung und keine Entdeckung, und das wissen Sie sehr genau!«
    Nur dieses eine Mal hatte er Dan Merritt so aufgeregt und fassungslos erlebt.
    »Ja, das kann man wohl sagen! Ein einziger Satz im Durham Ledger über die Möglichkeit prähistorischer Besiedlung – und schon fand ich mich in einem Topf mit allen Verrückten, die altägyptische Siedlungen im Mississippi-Delta und Atlantis unmittelbar vor der Küste von Jersey vermuten. So viel zum Thema Spekulation.«
    Connie drückte mitfühlend seinen Arm. »Es tut mir Leid, dass ich davon angefangen habe.« Ihre Augen zogen ihn magisch an. »Vielleicht kann ich es ja wieder gutmachen.«
    »Vielleicht.«
    Er nahm ihre Hand, doch sie entzog sie ihm. »Wir sollten allmählich nach Hause gehen«, sagte sie und stand auf.
    Ein Stück weit entfernt tuckerte ein kleines blaues Fischerboot vorbei. Sie hatten es schon gestern gesehen, und am Tag zuvor auch. In Peters Hinterkopf rumorten einige Gedanken, doch die anderen Gedanken überlegten, weshalb ihm sein Leben plötzlich so nichts sagend vorkam. Ein Leben lang ständig Steine bergauf zu rollen …

 

    14
    »Dad, wie viele Tage dauert es noch, bis wir nach Hause fahren?«
    »Achtzehn.«
    »Achtzehn?« Andy zählte die Zahl an den Fingern ab. »Das ist verdammt lang.«
    »Die Zeit wird blitzschnell vergehen, denn wir müssen noch viel ausgraben.«
    »Ja, aber …«
    »Kein ›Ja, aber‹. Du musst jetzt schlafen.«
    »Aber, Dad, ich muss dir noch etwas erzählen.«
    »Und was?«
    »Gestern habe ich etwas Komisches geträumt. Von Mommy. Weißt du, was? Sie hat gebrannt.«
    Eine Gänsehaut kroch über Peters Arm. Er hatte nie genauer über Lindas Tod gesprochen, sondern immer nur gesagt, dass sie einen Autounfall gehabt hätte. Er hatte es Andys Vorstellungskraft überlassen, was passierte, wenn zwei Autos zusammenstießen oder ein Auto gegen einen Baum prallte. Für ihn kamen die Menschen direkt in den Himmel. Er hatte weder die Knochenbrüche noch den zerquetschten Schädel und die eingedrückte Brust mit einer Silbe erwähnt und auch niemals ausgesprochen, wie jämmerlich ihr Körper noch auf dem Sitz durch auslaufendes Benzin zu einem Aschehäufchen verbrannt war. Eine saubere Wandlung.
    »Aber sie ist nicht ganz verbrannt, und sie war auch nicht in einem Auto.«
    »Wo war sie denn dann?«
    »Ich weiß es nicht. Aber sie hat mich gerufen.«
    »Ach ja? Und was hat sie gesagt?«
    »›Hallo, Andy‹ hat sie gesagt.«
    »Das ist schön. Sicher vermisst sie dich.«
    »Genau. Sie hat gesagt, dass sie auf mich aufpasst.«
    »Und das stimmt auch, mein Schatz. Sie ist unser Schutzengel. Hat sie sonst noch etwas gesagt?«
    »Ja. Sie hat gefragt, ob ich sie besuchen möchte.«
    Eiskalt lief es Peter über den Rücken. »Sie besuchen?«
    »Ja. Ich habe ihr erklärt, dass ich dazu erst sterben müsste. Aber das geht nicht, weil ich ja noch groß werden muss.«
    »Das war eine sehr gute Antwort. Eines Tages werden wir alle im Himmel wieder zusammen sein.« Er knipste das Licht aus. »Hat sie sonst noch etwas gesagt?«
    »Ja.«
    »Was denn?« Peter zog die Decke um den kleinen Körper zurecht und legte das Buch auf den Nachttisch. Heute Abend hatte er Hänsel und Gretel aus Susan Jeffers illustrierter Gebrüder-Grimm-Ausgabe vorgelesen.
    »Sie sagte … sie wollte, dass ich zu ihr komme. Und zwar sofort.«
    »Es macht mich völlig fertig, dass er über das Sterben nachdenkt.«
    »Vielleicht fühlt er sich schuldig, weil er überlebt hat«, sagte Connie.
    Es war kurz nach zehn, und sie gingen zusammen am Strand spazieren.
    »Ich verstehe nicht, warum er plötzlich so beängstigende Dinge träumt. Bisher hat er erst von einem einzigen Traum erzählt, und der war ausgesprochen schön.«
    »Vielleicht fühlt er sich verunsichert, weil er zum ersten Mal von zu

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