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Der Ruf der Steine

Der Ruf der Steine

Titel: Der Ruf der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Goshgarian
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Feuerschein. Er hatte Hörner und große Flügel.« Er barg sein Gesicht in den Händen. »Es war fürchterlich!«, quietschte er. »Ich sah, wie sie flehend die Hände gehoben hat!«
    »Flehend?«
    »Ja, Sir. Sie hat um die Macht des Feuers gebeten. Ich weiß nicht, was sie damit gemeint hat.«
    »Und du, Simon Hubbard?«
    Mit hochgezogenen Schultern sah der Junge zur Hexe hinüber. Seine Stimme klang dünn. »Den Feuerteufel habe ich auch gesehen, Sir. Er stand oben auf dem weißen Stein. Und ich habe gesehen, wie sie mit ihm geredet hat. Da wusste ich, dass sie eine Hexe ist. Sie hat ihr Kleid aufgeknöpft, und der Teufel hat ihr ein kleines Ding gegeben, so groß wie eine Katze. Es hatte keine Haare, aber Hände und Ohren wie ein Mensch …«
    »Er lügt!«, schimpfte die Frau.
    Aber Oates schnitt ihr das Wort ab. »Sprich weiter, mein Junge.«
    »Sie hat es … sie hat es an ihre Brust gelegt. Und es hat gesaugt!«
    Die Umstehenden stöhnten laut auf.
    »Ein Kobold«, rief jemand.
    »Genau. Du hast gesehen, dass Brigid Mocnessa einen Kobold gesäugt hat«, wiederholte Oates. »Und du, Joshua Biddle?«
    »Ich habe es auch gesehen«, sagte der dritte Junge.
    »Und ich auch«, erklärte Worthy Oates vor allen Umstehenden. »Als sie uns gesehen hat, ist sie davongerannt. Das Ding hing immer noch an ihrer Brust. Dabei habe ich die dritte Warze unter den beiden anderen genau gesehen. Hier!« Er stieß mit dem Finger mitten auf seinen Bauch. »Die Brust des Teufels. Sie hat gedroht, dass sie mir die Kehle durchschneiden würde, wenn ich es verriete.«
    Dieser Satz brannte sich wie ein Kurzschluss in Peters Kopf.
    Der Junge schrie auf, als die Frau nach ihm schlug. Erst jetzt sah Peter, dass sie mit einem Bein an dem hohen Stein festgebunden war.
    »Worthy Oates, höre mich an!«, schrie sie. Der Junge vergrub sein Gesicht in der Soutane seines Vaters. »Dieses Kind war mein eigen Fleisch und Blut – und kein Kobold! Du hast mich und mein Kind beleidigt!« Sie zerrte an der Kette. »Wenn ich dich in die Finger bekomme, werde ich dir als Erstem die Kehle durchschneiden!«
    Ein neuerlicher Proteststurm erhob sich.
    »Ich habe es dir doch gesagt, Vater!«, rief Worthy Oates. »Sie hat Böses im Sinn.«
    »Sie ist das Böse«, erklärte der Priester.
    »Ihr wisst ja nicht einmal, was das ist!« Wie Flammen schossen die Worte aus ihrem Mund.
    Mit einem Mal wurde der Junge mutig. »Ich habe die Wahrheit gesagt«, schrie er und deutete auf ihre Brust. »Sie hat eine Teufelswarze!«
    »Wir wollen Beweise«, forderte eine Stimme.
    Sofort machte sich der Kreis die Forderung zu Eigen.
    Brigid Mocnessa war so wütend, dass sie fast an ihren Worten erstickte. »Ihr fordert einen Beweis?« Im nächsten Moment riss sie ihr Kleid so weit auseinander, dass alle sie anschauen konnten. »Hier habt ihr euren verfluchten Beweis!«
    Angesichts der nackten Brüste schrie die Menge laut auf.
    Mit einem Ruck erwachte Peter.

 

    13
    Am nächsten Morgen war die Luft so trocken, dass die Skyline von Boston in ungewohnter Klarheit zum Greifen nah vor ihnen zu stehen schien. Und obendrein hing der Mond noch geisterbleich am blauen Himmel.
    Peter hatte wieder geträumt, doch diesmal war er ziemlich mitgenommen. Er hatte schon Träume erlebt, die sich wiederholten, aber eine derartige Fortsetzung noch nie. Und schon gar nicht in zwei aufeinander folgenden Nächten. Der gestrige Traum hatte jedoch genau da eingesetzt, wo er aus dem anderen herausgerissen worden war. Unglaublich. Und dann erst die fotografische Genauigkeit der Details. Diesmal hatte er wirklich nicht das Gefühl, geträumt zu haben – dazu war alles zu wirklich gewesen. Die Bilder ließen ihn den Tag über nicht los, aber dennoch verbot er sich jeden weiteren Gedanken daran. Er wollte sich von diesen psychischen Verwirrspielen nicht länger beeindrucken lassen.
    Seit dem Tag seiner Ankunft hatte er mehr Zeit damit verbracht, das Unerklärliche zu erklären, als das Erklärbare zu analysieren. Heute jedoch war ein neuer Tag. Entschlossen wollte er sich nun endlich der Archäologie widmen. Sie hatten nur noch neunzehn Tage – und der Sandhügel war lediglich ein bisschen angekratzt!
    Um kurz vor acht waren sie bereits auf der Klippe und arbeiteten, und genauso ruhig verlief der Tag. Keine Zwischenfälle, kein vermisstes Kind, keine Visionen und auch keine Stimmen. Peter redete sich ein, dass er die Sache überstanden hätte. Wie die Grippe.
    Gegen fünf Uhr nachmittags hatten

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