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Der Ruf der Steine

Der Ruf der Steine

Titel: Der Ruf der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Goshgarian
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Unwillkürlich dachte man an Fotos von Vivisektionen – aufgespannte, bewusstlose Tierkörper mit aufgeschlitzter Brust und entblößten Organen. Genauso hatten die Maschinen die Insel vergewaltigt.
    Connie und Jackie arbeiteten den Tag über an einem Quadrat nahe der Hügelmitte. Connie war missgelaunt, aber über die Ursache ließ sie nichts verlauten. Mit Peter sprach sie so gut wie nie, und er tat es ihr gleich. In einem unbeobachteten Moment während der Mittagspause fragte er, ob sie sich schon entschieden hätte. Nein, hatte sie noch nicht – mehr wurde an diesem Tag nicht mehr gesprochen.
    Während einer kurzen Pause beschäftigte sich Sparky mit Peters Horoskop. Er war zwar nicht in Stimmung, aber er wollte auch nicht unhöflich sein.
    »Wie es aussieht, hast du dieselben astrologischen Komponenten wie große Anführer – zum Beispiel Haile Selassie, Napoleon und Mussolini.«
    »Der erste wurde abgesetzt, der andere ins Exil geschickt und der dritte von seinen eigenen Leuten an den Füßen aufgehängt! Ein ziemlich explosives Zeichen, findest du nicht?«
    »Sieh es dir an«, sagte sie und schob ihm das Blatt über den Tisch.
    Peter betrachtete einen Kreis mit zwölf gleichen Abschnitten, der mit Triangeln und allerlei astrologischen Zeichen und Berechnungen in winziger Schrift vollgekritzelt war. »Oh, ich fühle schon, wie es wirkt«, sagte er.
    »Du sollst dich nicht über mich lustig machen. Das tut er schon!« Mit dem Kopf nickte sie zu Jackie hinüber. A STROLOGEN TREIBEN ES MIT DEN STERNEN prangte groß und breit auf dem T-Shirt, das ihr Mann ihr geschenkt hatte.
    Jackie konnte mit Astrologie ebenso wenig anfangen wie Peter, aber das tat der Zuneigung zwischen ihm und seiner Frau keinen Abbruch. Sobald sie sich unbeobachtet glaubten, küssten sie einander, und beim Spazierengehen hielten sie ständig Händchen. Sogar wenn sie einander neckten, war das feste Band zwischen ihnen zu spüren. Wie gegensätzliche Pole eines Magneten. Der kräftige und ernsthafte junge Mann und daneben der kleine Kobold, der Horoskope verfertigte, makrobiotische Tacos herstellte und von Atlantis träumte. Ein seltsames Pärchen, dachte Peter. Kaum zu glauben, dass ihre Beziehung die erste Verabredung überdauert hatte!
    Nur, weil sie einander nicht vergewaltigt hatten.
    Er neidete ihnen ihre Nähe.
    Und er wünschte inständig, dass Sparky das Thema endlich fallen ließe, denn es interessierte ihn nicht im Geringsten. Aber sie erklärte unbeirrt weiter.
    »Als Löwe hast du Energie und großen Elan.«
    Und oben auf der Klippe bist du als Presslufthammer bekannt. Wum-wum-wum-wum – macht er die Ladys verrückt. Ihr könnt euch bei Missy Lambert erkundigen.
    »… du willst immer Erfolg haben, ganz gleich, was es kostet.«
    Als Connie merkte, dass Peter zu ihr herübersah, wandte sie sich ab.
    »Hörst du überhaupt zu?«, fragte Sparky.
    »Hm.«
    Er gab sich ehrlich Mühe, aber das Zuhören ermüdete ihn zusehends. Horoskope waren so beliebig und so austauschbar wie die Zettelchen im Glückskeks, deren Sprüche auf jeden passten: Sie sind ein dynamischer Mensch – nur manchmal etwas selbstsüchtig. Etwas mehr Selbstkontrolle – und schon ist das Leben lebenswert.
    Er war nervös und ganz und gar nicht in der richtigen Stimmung. Zu gern hätte er Connie aus seinen Gedanken verbannt.
    Seien wir doch ehrlich, Sportsmann: Du sitzt mit einem tollen Weib, das soeben geschieden wurde, auf einer einsamen Insel. Meilenweit keine Single-Bar und auch keine roten Porsches. Als Konkurrenten nur ein Hochzeiter und ein Sechsjähriger. Du liegst mit ihr unter den Sternen, nackt und glücklich presst ihr euch aneinander – und dann spielst du plötzlich den Rambo! Einfach fantastisch!
    Mein Gott, was habe ich getan?
    Er holte tief Luft und richtete seine Aufmerksamkeit ganz auf Sparky und das Horoskop.
    Sparky war mit großem Ernst bei der Sache. Heute trug sie statt des Rubins einen Diamanten in der Nase. Wie ein reifender Pickel sah er aus. Sie zeichnete einige Linien, kritzelte etwas und kontrollierte alles in einer Tabelle über Himmelskörper. Je länger Peter ihr zusah, desto mehr tat sie ihm Leid. Wie konnte sich ein intelligentes Mädchen im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert ernsthaft mit derlei Unsinn beschäftigen? Auch in den ernsthaftesten Berechnungen steckte nicht mehr Wahrheit als in einem Ouija-Brett oder in diesen Steinen hier. Alles nur Humbug.
    »Pluto und Neptun sind in deinem Fall vorherrschend. Pluto ist

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