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Der Ruf der Steine

Der Ruf der Steine

Titel: Der Ruf der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Goshgarian
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Floß zur Insel übergesetzt, das Haus durchsucht und sich davongemacht, als sie merkten, dass es bewohnt war. Sie hätten uns im Schlaf töten können. Was, zum Teufel, hatte er hier verloren? Er musste umkehren und jemanden alarmieren.
    Aber es gab kein Telefon.
    Das Funkgerät auf dem Schiff. Er musste die Küstenwache alarmieren. Dann kam ihm ein neuer Gedanke. Weshalb sollten geflohene Sträflinge ausgerechnet auf dem höchsten Punkt der Insel herumhüpfen und eine Laterne schwenken? Nur, wenn sie anderen signalisieren wollten. Aber das passte nicht zusammen. Würden sie ihre eigene Entdeckung riskieren, nur um ihren Kumpanen den Weg zu weisen?
    Denke lieber an Camper, dachte Peter. Nette, anständige Leute in Eddie-Bauer-Windjacken, die einfach nur auf der Insel übernachten wollten.
    Die gewaltige Holzfräse stand weit oben auf dem Abhang. Ihr Hals ragte wie der einer Riesenechse in die Höhe. Das Blut pulsierte in Peters Schläfen, als er hinaufkletterte, um die Klippe besser überblicken zu können. Ein plötzliches Geräusch ließ ihn erstarren. Vom höchsten Punkt der Klippe ertönte ein schrilles, auf- und abschwellendes Trillern. Für einen Eistaucher oder irgendein anderes Tier war der Ton viel zu kräftig. Peter stützte sich gegen den Hals der monströsen Maschine – und dann sah er es.
    Zuckend fiel der schwache, gelbliche Lichtschein über die schwarzen Grabungsquadrate, die wie offene Gräber in den Nachthimmel starrten, und davor stand eine einsame Gestalt. Ein zerrissenes Cape flatterte wie gigantische Fledermausflügel im Wind. Die Gestalt allein hätte Peter sofort als Mensch bezeichnet, wenn sie nicht ein gewaltiges Geweih auf dem Kopf getragen und obendrein diese urtümlichen Schreie ausgestoßen hätte. In weiten Kehren hüpfte die Gestalt quer über den Sandhügel und erhob dabei die Arme anbetend zum Himmel.
    Plötzlich bewegte sich der Hals der Maschine unter Peters Gewicht knirschend um einige Zentimeter, was wiederum eine große Klappe über ihm in Bewegung setzte. In Panik sprang Peter herunter, weil er befürchten musste, dass sich der Deckel über ihm schloss. Er schlug heftig auf dem Boden auf und rollte einige Meter, während die Maschine schauerlich quietschte.
    Als er sich wieder auf die Knie hochgerappelt hatte, lag die Klippe einsam und verlassen vor ihm. Kein Licht, keine Gestalt – nur der ungewöhnlich dunkle Nachthimmel wölbte sich über ihm.
    Er kroch über den Boden und tastete nach seiner Taschenlampe. Er brauchte sie, um schnell genug nach Hause zu kommen. Plötzlich konnte er nur noch daran denken, dass Andy allein im Haus schlief, während irgendwo in der Dunkelheit ein verrücktes Wesen herumsprang und nun seine Entdeckung befürchten musste.
    Endlich fand Peter die Taschenlampe.
    Zerbrochen und unbrauchbar.

 

    19
    Hastig stolperte er von der Klippe zum Strand hinunter und hielt dabei die Taschenlampe wie eine Waffe in der Hand. O Gott, wenn er doch nur die Axt bei sich hätte, dachte er.
    Aber der Strand war leer und der Himmel glanzlos und düster. Nichts regte sich – nur die Wellen klatschten gleichförmig auf den Kies. Völlig durcheinander starrte er auf das Wasser hinaus. Aber das Bild wollte nicht weichen. Es kostete ihn große Überwindung, an dieses Wesen als Mensch zu denken. Als Mensch aus Fleisch und Blut, der ein Hirschgeweih trug – und nicht als Monster, das seiner gepeinigten Fantasie entsprungen war.
    In diesem Augenblick dämmerte ihm etwas, das ihm den Atem verschlug. Er erinnerte sich an seinen Traum. Sie trug ein scheußliches Geweih auf dem Kopf. Worthy Oates hatte das gesagt. Himmel! Das war ein Traum gewesen, aber dies war die Realität. Alles Zufall, versuchte er sich zu beruhigen. Alles Zufall.
    Doch es gelang ihm nicht.
    Er hatte sich bereits zum Haus umgewandt, als eine plötzliche Bewegung seinen Blick noch einmal zur Klippe hinaufzog. Am entgegengesetzten Abhang bewegte sich ein Licht langsam bergab. Die Gestalt folgte der Spur der Schwerlaster in Richtung auf das Haus.
    Hastig stolperte er die Düne empor. Unentwegt musste er an Andy in seinem Bettchen denken und an Connie auf der Veranda. Er musste diesem Wesen den Weg abschneiden. Es durfte keinesfalls vor ihm das Haus erreichen.
    Während er zum Haus zurückrannte, wurde er den Verdacht nicht los, dass alle Ereignisse einem bestimmten Plan folgten. Jedenfalls hatte er sich seit fünf Tagen bemüht, den aus Aberglauben oder unterschwelligen psychischen Ängsten geborenen,

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