Der Ruf der Steine
Plastikplanen errichten.
Dann dachte er an den Kadaver. Zum Glück hatten sie ihn entdeckt, als der Sandberg noch trocken war. Der Regen hätte die Verwesung nur noch beschleunigt. Es hatte auch so schon schlimm genug gestunken, als sie ihn freigelegt und am Strand begraben hatten. Sie hatten sich auf die Erklärung geeinigt, dass der Hund gestorben war und jemand ihn in dieser schiefen Haltung im Boden begraben hatte. Vielleicht hatte er sich die Beine bei einem Unfall gebrochen.
Eine Insel der Unfälle, dachte Peter. Eine Insel der Verwesung.
Er zog den Vorhang ein Stück weit auseinander. Ein Halbmond hing über dem Wasser und tauchte die Hafenbucht in silbernes Licht. Derselbe Mond wie in meinem Traum, dachte er. Ansonsten waren nur winzige Lichtpünktchen auf den umliegenden Inseln zu sehen, und das Leuchtfeuer von Graves Rocks. Er beobachtete, wie das rote Auge an und aus ging. An und aus, an und aus …
Plötzlich wurde ihm vor Schrecken eiskalt.
Irgendetwas war am äußersten Rand seines Gesichtsfelds vorbeigehuscht. Zu schnell, um es zu erkennen. Er hatte das Gefühl, dass es etwas Großes gewesen war – kein Kaninchen und auch kein Hund. Etwas Großes, das sich rasend schnell bewegte.
Hastig schlüpfte Peter in Jeans und Turnschuhe. Vielleicht war es ja einer der anderen – vielleicht Jackie, der Sparkys Big Sur Chili und einige Biere abtrainieren wollte? Nein, diese Gestalt hatte sich viel zu schnell bewegt.
Er packte seine silbrige Taschenlampe und verließ das Schlafzimmer. Andy hatte sich nicht bewegt. Die anderen beiden Zimmertüren waren geschlossen. Jackie schied aus, denn er konnte ihn schnarchen hören.
Peter hätte gern nachgesehen, ob Sparky und Connie in ihren Betten lagen, aber dazu war das Haus viel zu alt. Das Knacken der Dielen hätte sie bestimmt geweckt. Connie würde sicher nicht erbaut sein, wenn er durch ihr Schlafzimmer schlich.
Er eilte die Treppe hinunter und durch den Wohnraum auf die Veranda hinaus. Seine Hand tastete nach dem Schalter der Taschenlampe, aber dann überlegte er es sich anders.
Außer dem durchdringenden Zirpen der Grillen war nichts zu hören.
Als er auf der Wiese stand, fragte er sich, ob er sich die Bewegung womöglich nur eingebildet hatte. Vielleicht war er ja aufgrund seiner müden Augen und der welligen Scheiben einer optischen Täuschung erlegen.
Peter ging seitlich um das Haus herum. Vor Aufregung pochte sein Herz direkt hinter dem Trommelfell. Es war ihm beklommen zu Mute, aber erklären konnte er sich diese Furcht nicht. Unter den dicht beieinander stehenden Eichen war es stockfinster, doch außer dem ständigen Zirpen hörte er nichts. Erleichtert umrundete er das Haus und malte sich bereits aus, wie er wieder ins Bett schlüpfte.
Als es plötzlich hinter seinem Rücken knackte, zog sich die Haut auf seinem Schädel zusammen. Er packte die Lampe wie eine Waffe.
Ungefähr drei Meter von ihm entfernt stand eine Gestalt reglos im Dickicht. Eine weibliche Gestalt. Eine Frau ohne Haare. Sie waren verschmort. Die Frau hatte kein Gesicht.
Kein Gesicht.
Himmel, nur ein schwarzes Loch.
Ein verkohlter Totenkopf mit leeren Augenhöhlen.
Helles Licht blendete ihn.
Connie war drauf und dran, ihm mit erhobener Axt den Schädel zu spalten.
»Nein!«
»Peter, du bist das!« Sie ließ die Axt sinken. »Es tut mir Leid, dass ich dich erschreckt habe.«
»Himmel, Connie!« Langsam rutschten seine Innereien wieder an ihren Platz, während gelbe Ballons vor seinen Augen vorüberglitten. »›Erschreckt‹ trifft es wohl nicht ganz.« Er holte tief Luft. »Ich glaube, jetzt sind wir quitt.«
Aber sie lachte nicht. »Ich hatte doch keine Ahnung, dass du es warst.«
»Offenbar haben wir uns während der letzten zehn Minuten gegenseitig verfolgt.«
»Das warst nicht du«, flüsterte sie.
»Hm?«
»Irgendjemand war im Haus. Ich habe es genau gehört. Du hast noch geschlafen.«
»Vielleicht waren es Jackie oder Sparky. Die haben gestern Abend sieben Dosen Bier getrunken.«
Er fühlte, dass sie zitterte. »Die sind beide im Bett.«
»Hast du jemanden gesehen?«
»Zuerst nicht. Zuerst habe ich nur Lärm von unten gehört. Als ich in die Küche gehen wollte, sah ich jemanden aus der Vordertür davonlaufen. Einen Mann, einen großen Mann.«
»So groß wie Flanagan?«
»Keine Ahnung. Es ging alles viel zu schnell. Als er mich hörte, ist er davongerannt, und als ich draußen war, war er längst über alle Berge. Wer ist außer uns noch auf der
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