Der Ruf Der Trommel
zusammen. »Es ist ja nicht so, als ob ich anderweitig beschäftigt wäre, oder?«
»Eine Abendgesellschaft«, erklärte Jocasta. »Wir müssen ein zünftiges Fest abhalten, um euch hier einzuführen.«
»Das ist doch nicht nötig, Tante Jocasta«, sagte Jamie abwinkend und sah von seinem Buch auf. »Ich glaube, ich habe den Großteil des Landkreises letzte Woche auf dem Viehmarkt kennengelernt. Oder zumindest den männlichen Teil«, fügte er hinzu und lächelte mich an. »Wenn ich es mir überlege, wäre es aber vielleicht gut für Claire, mit den Damen der Umgebung Bekanntschaft zu schließen.«
»Ich hätte nichts dagegen, ein paar Leute kennenzulernen«, gab ich zu. »Nicht, daß ich hier nicht hinreichend Beschäftigung finde«, versicherte ich Jocasta, »aber -«
»Aber nicht die Art, die Euch interessiert«, antwortete sie, jedoch mit einem Lächeln, das der Bemerkung den Stachel nahm. »Ihr seid keine große Freundin von Nadelarbeiten, denke ich.« Ihre Hand wanderte zu dem großen Korb mit bunter Wolle und griff nach einem grünen Knäuel, das sie für ein Schultertuch benutzen wollte.
Die Wollknäuel wurden jeden Morgen von einem der Dienstmädchen sorgfältig in einem spiralförmigen Spektrum arrangiert, so daß Jocasta durch Abzählen die richtige Farbe finden konnte.
»Aye, nun, nicht diese Sorte von Nadelarbeiten«, warf Jamie ein. Er schloß sein Buch und lächelte mich an. »Claire näht lieber Hautrisse zu. Ich schätze, daß sie langsam unruhig wird. Schließlich hat sie hier nur die eine oder andere Beule oder Hämorrhoide zu behandeln.«
»Ha, ha«, sagte ich schnippisch, doch im Grunde genommen hatte er recht. Es freute mich zwar, daß die Bewohner von River Run im großen und ganzen gesund und gut genährt waren, doch für eine Ärztin gab es hier nicht viel zu tun. Ich wünschte zwar bestimmt niemandem etwas Böses, doch es war auch nicht zu leugnen, daß ich tatsächlich
unruhig wurde. Von Jamie ganz zu schweigen, doch das hielt ich für etwas, worüber man derzeit besser Stillschweigen bewahrte.
»Ich hoffe, Marsali geht es gut«, sagte ich, um das Thema zu wechseln. In der sicheren Annahme, daß Jamie seine Hilfe vorerst nicht benötigen würde, war Fergus tags zuvor stromabwärts nach Wilmington aufgebrochen, von wo er nach Jamaika segeln wollte. Wenn alles gutging, würde er im Frühjahr mit Marsali und - so Gott wollte - ihrem neugeborenen Kind zurückkehren.
»Ich auch«, sagte Jamie. »Ich habe Fergus gesagt, daß -«
Jocasta wandte abrupt den Kopf zur Tür.
»Was ist los, Ulysses?«
Völlig in die Unterhaltung vertieft hatte ich die Schritte im Flur nicht bemerkt. Nicht zum ersten Mal war ich von Jocastas scharfem Gehör beeindruckt.
»Mr. Farquard Campbell«, sagte der Butler ruhig und trat zurück an die Wand.
Es zeugte von Farquard Campbells Vertrautheit mit dem Haushalt, daß er nicht abwartete, bis Ulysses zurückkehrte und ihn zum Eintreten aufforderte. Er folgte dem Butler direkt auf dem Fuße, den Hut achtlos unter den Arm geklemmt.
»Jo, Mrs. Fraser«, sagte er, wobei er sich kurz vor Jocasta und mir verneigte, und »Euer Diener, Sir« zu Jamie. Mr. Campbell war geritten, und zwar schnell; seine Rockschöße waren völlig eingestaubt, und unter der schiefsitzenden Perücke lief ihm der Schweiß übers Gesicht.
»Was ist los, Farquard? Ist etwas vorgefallen?« Jocasta saß vorn auf der Sesselkante, und seine spürbare Aufregung spiegelte sich in ihrem Gesicht wider.
»Ja«, sagte er abrupt. »Ein Unfall in der Sägemühle. Ich bin gekommen, um Mrs. Fraser zu bitten -«
»Ja, natürlich. Ich will nur meinen Verbandskasten holen. Ulysses, kannst du dafür sorgen, daß mir jemand ein Pferd bringt?« Ich erhob mich hastig und suchte nach den Schuhen, aus denen ich herausgeschlüpft war. Ich war nicht zum Reiten angezogen, doch Campbells Blick nach zu urteilen, reichte die Zeit nicht zum Umziehen. »Ist es ernst?«
Er hob die Hand, um mir Einhalt zu gebieten, als ich mich bückte, um meine Slipper anzuziehen.
»Aye, es ist ziemlich schlimm. Aber Ihr braucht nicht mitzukommen, Mrs. Fraser. Wenn Euer Gatte allerdings einige Eurer Arzneien mitbringen könnte -«
»Natürlich komme ich mit.«
»Nein!« Er sprach abrupt, und wir alle starrten ihn an. Sein Blick suchte Jamies, und er kniff die Lippen zusammen und zog eine Grimasse.
»Das ist nichts für Frauen«, sagte er. »Aber ich wäre sehr dankbar, wenn Ihr mich begleiten würdet, Mr. Fraser.«
Bevor ich
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