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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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protestieren konnte, war Jocasta aufgestanden und umklammerte Campbells Arm.
    »Was ist los?« fragte sie scharf. »Ist es einer von meinen Negern? Hat Byrnes etwas angestellt?«
    Sie überragte ihn um fast fünf Zentimeter, daher mußte er zu ihr aufsehen, als er antwortete. Ich sah Falten der Anspannung in seinem Gesicht, und Jocasta spürte das offenbar ebenfalls. Ihre Finger schlossen sich fest um den grauen Sergestoff seines Rockärmels.
    Er blickte Ulysses an und dann wieder Jocasta. Als hätte er einen direkten Befehl erhalten, drehte sich der Butler um und verließ den Raum, wie immer auf leisen Sohlen.
    »Es ist Blut geflossen, Jo«, sagte er still zu ihr. »Ich weiß weder, um wen es sich handelt, noch wie es passiert ist, noch wie schwer die Verletzung ist. MacNeills Junge hat mich geholt. Was den anderen angeht -« Er zögerte und zuckte dann die Achseln. »Es ist nun einmal Gesetz.«
    »Du bist doch Richter«, stieß sie hervor. »Um Himmels willen, kannst du denn nichts tun?« Ihr Kopf bewegte sich ruckartig, während ihre blinden Augen versuchten, ihn zu fixieren und ihrem Willen zu unterwerfen.
    »Nein!« sagte er scharf und wiederholte dann sanfter: »Nein.« Er nahm ihre Hand von seinem Ärmel und hielt sie fest.
    »Du weißt, daß ich das nicht kann«, sagte er. »Wenn ich könnte…«
    »Du würdest es auch dann nicht tun, wenn du könntest«, sagte sie bitter. Sie entzog ihm ihre Hand und trat zurück, die Fäuste an ihren Seiten geballt. »Geh schon. Sie haben dich zu ihrem Richter ernannt, geh und richte für sie.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und verließ in ohnmächtiger Wut mit wehenden Gewändern den Raum.
    Er starrte ihr hinterher. Als er dann vom anderen Ende des Flurs die Tür knallen hörte, atmete er mit einer schiefen Grimasse aus und wandte sich an Jamie.
    »Ich bitte Euch nur widerstrebend um einen solchen Gefallen, Mr. Fraser, da wir uns erst so kurz kennen, doch ich wäre sehr dankbar, wenn Ihr mich auf diesem Gang begleiten würdet. Mrs. Cameron kann ja nicht selbst mitkommen, und Euch bei dieser Angelegenheit als ihren Vertreter dabeizuhaben -«

    »Was ist das für eine Angelegenheit, Mr. Campbell?« unterbrach Jamie.
    Campbell sah mich an und wünschte sich ganz offensichtlich, daß ich ging. Da ich aber keinerlei Anstalten dazu machte, zuckte er mit den Achseln, zog ein Taschentuch aus dem Rock und wischte sich über das Gesicht.
    »In dieser Kolonie ist es Gesetz, Sir, daß ein Neger, der einen Weißen angreift und dabei Blut vergießt, für sein Vergehen mit dem Leben bezahlt.« Widerstrebend hielt er inne. »Derartige Zwischenfälle sind glücklicherweise selten. Aber wenn es dazu kommt -«
    Er verstummte und preßte die Lippen zusammen. Dann seufzte er, betupfte sich ein letztes Mal die geröteten Wangen und steckte das Taschentuch ein.
    »Ich muß gehen. Kommt Ihr mit, Mr. Fraser?«
    Jamie blieb noch einen Moment stehen und betrachtete forschend Campbells Gesicht.
    »Ja,« sagte er abrupt. Er ging zur Anrichte und öffnete die obere Schublade, in der die Duellpistolen des verblichenen Hector Cameron verwahrt wurden.
    Als ich das sah, wandte ich mich an Campbell.
    »Ist es gefährlich?«
    »Ich kann es nicht sagen, Mrs. Fraser.« Campbell zog die Schultern hoch. »Donald MacNeill hat mir nur gesagt, daß es bei der Sägemühle zu einem Streit gekommen sei und daß es um das Gesetz des Blutvergießens gehe. Er hat mich gebeten, sofort zu kommen, das Urteil zu fällen und die Exekution zu beaufsichtigen, dann ist er weitergeritten, um die anderen Gutsbesitzer zu benachrichtigen, bevor ich nach Details fragen konnte.«
    Er sah unglücklich aus, schien sich aber in sein Schicksal ergeben zu haben.
    »Exekution? Wollt Ihr damit sagen, Ihr beabsichtigt, einen Mann zu exekutieren, ohne überhaupt zu wissen, was er getan hat?« In meiner Aufregung hatte ich Jocastas Strickkorb umgestoßen. Kleine, bunte Wollknäuel rollten in alle Himmelsrichtungen davon und hüpften über den Teppich.
    »Ich weiß, was er getan hat, Mrs. Fraser!« Campbell hob mit hochrotem Kopf das Kinn und schluckte mit sichtlicher Mühe seine Ungeduld hinunter.
    »Verzeihung, Ma’am. Ich weiß, daß Ihr gerade erst hier angekommen seid, daher werden Euch manche unserer Sitten unverständlich und vielleicht sogar barbarisch vorkommen, aber -«

    »Natürlich finde ich sie barbarisch! Was für ein Gesetz ist es, das einen Mann verurteilt-«
    »Einen Sklaven-«
    »Einen Mann! Ihn ohne Gerichtsverfahren

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