Der Ruf Der Trommel
und zog mich fester an sich; mein Kopf ruhte in der Beuge seiner Schulter. »Ich hatte die merkwürdigsten Träume, als ich in der Kälte geschlafen habe.«
»Ach ja?« Ich streckte mich aus und genoß das sanfte Nachgeben der federgefüllten Matratze. »Was hast du denn geträumt?«
»Alles mögliche.« Er klang ein bißchen verlegen. »Dann und wann habe ich von Brianna geträumt.«
»Wirklich?« Das war mir ein bißchen unheimlich; ich hatte in unserem eiskalten Unterschlupf ebenfalls von Brianna geträumt - etwas, das mir selten passierte.
»Ich habe mich gefragt…« Jamie zögerte einen Augenblick. »Hat sie ein Muttermal, Sassenach? Und wenn, hast du mir davon erzählt?«
»Ja, sie hat eins«, sagte ich langsam und dachte nach. »Aber ich glaube nicht, daß ich dir je davon erzählt habe; es ist schwer zu sehen, und es ist Jahre her, seit es mir zuletzt aufgefallen ist. Es ist ein -«
Seine Hand, die sich fester um meine Schulter legte, brachte mich zum Schweigen.
»Es ist ein kleines braunes Mal, geformt wie ein Diamant«, sagte er. »Genau hinter dem linken Ohr. Stimmt das?«
»Ja, das stimmt.« Es war warm und gemütlich im Bett, doch ein kleiner, kalter Fleck in meinem Nacken ließ mich plötzlich erzittern. »Hast du das in deinem Traum gesehen?«
»Ich habe sie auf diese Stelle geküßt«, sagte er leise.
22
Ein Funke von einer uralten Flamme
Oxford, September 1970
»O Gott.« Roger starrte auf das Blatt, das vor ihm lag, bis die Buchstaben ihre Bedeutung verloren und nur noch Schnörkel waren. Doch keine optische Täuschung der Welt konnte die Bedeutung der Worte selbst ausradieren, und diese waren ihm bereits ins Hirn eingraviert.
»O Gott, nein!« sagte er laut. Verärgert über den Lärm, fuhr das Mädchen in der nächsten Lesenische auf, und die Beine ihres Stuhls schabten über den Boden.
Er beugte sich über das Buch, verdeckte es mit den Unterarmen und schloß die Augen. Ihm war übel, und seine Handflächen waren kalt und verschwitzt.
Einige Minuten lang saß er so da und kämpfte gegen die Wahrheit an. Doch sie würde nicht verschwinden. Himmel, es war bereits geschehen, oder? Vor langer Zeit. Und man konnte die Vergangenheit nicht ändern.
Schließlich schluckte er den Gallengeschmack in seiner Kehle hinunter und sah noch einmal hin. Sie war immer noch da. Eine kurze Zeitungsnotiz, erschienen am 13. Februar 1776 in der amerikanischen Kolonie North Carolina in der Stadt Wilmington.
Mit Trauer nehmen wir die Nachricht vom Tod James MacKenzie Frasers und seiner Gattin Claire Fraser bei einer Feuersbrunst zur Kenntnis, die in der Nacht des 21sten Januar ihr Haus in der Siedlung Fraser’s Ridge zerstörte. Mr. Fraser, ein Neffe des verstorbenen Hector Cameron, Besitzer der Plantage River Run, wurde in Broch Tuarach in Schottland geboren. Er war in der Kolonie gut bekannt und hoch angesehen; er hinterläßt keine Kinder.
Nur, daß er doch eins hinterließ.
Roger klammerte sich für einen Augenblick an die vage Hoffnung, daß sie es nicht waren; es gab schließlich jede Menge James Frasers,
es war ein ziemlich gebräuchlicher Name. Aber nicht James MacKenzie Fraser, nicht mit einer Frau namens Claire. Nicht geboren in Broch Tuarach, Schottland.
Nein, sie waren es; die erdrückende Gewißheit erfüllte seine Brust und schnürte ihm vor Schmerz die Kehle zu. Seine Augen brannten, und das verschnörkelte Schriftbild aus dem achtzehnten Jahrhundert verschwamm erneut.
Also hatte Claire ihn gefunden. Sie hatte ihren tapferen Highlander gefunden und ein paar letzte Jahre mit ihm genossen. Er hoffte, daß es gute Jahre gewesen waren. Er hatte Claire Randall sehr gemocht - nein, das wurde ihr nicht gerecht. Wenn er ehrlich war, so hatte er sie geliebt, und zwar genauso um ihrer selbst wie um ihrer Tochter willen.
Mehr als das. Er hatte ihr von ganzem Herzen gewünscht, daß sie James Fraser fände, daß sie glücklich und zufrieden bis an ihr Ende mit ihm zusammenlebte. Das Wissen - oder genauer gesagt die Hoffnung -,daß ihr das gelungen war, war für ihn ein kleiner Talisman gewesen, Zeugnis dafür, daß dauerhafte Liebe möglich war, eine Liebe, die stark genug war, um Trennung und Not zu überstehen, stark genug, die Zeit zu überdauern. Und doch waren alle Menschen sterblich; keine Liebe konnte diese Tatsache überdauern.
Er packte die Tischkante und versuchte, sich unter Kontrolle zu bekommen. Verrückt, sagte er sich. Durch und durch verrückt. Und doch fühlte er den
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