Der Ruf Der Trommel
unreife Kirschen.« Er fuhr leicht mit der Hand über meine Brüste; ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, meinen improvisierten Büstenhalter anzuziehen, als ich mich für meine spontane Expedition ankleidete.
»Sag’ ich doch«, sagte ich und errötete leicht. »Wahrscheinlich ist einer meiner Urahnen von einem Vampir gebissen worden oder so.«
»Einem was?« Er machte ein völlig verständnisloses Gesicht.
Wir hatten genug Zeit totzuschlagen, also erzählte ich ihm in groben
Zügen vom Leben und der Zeit des Grafen Dracula. Er sah verwirrt und angewidert aus, doch seine Hand fuhr mit ihrer Beschäftigung fort. Sie war inzwischen unter mein Lederhemd gewandert und hatte auch ihren Weg unter das Wollzeug gefunden. Seine Finger waren kalt, doch es machte mir nichts aus.
»Manche Leute finden den Gedanken furchtbar erotisch«, schloß ich.
»Das ist das Ekelhafteste, was ich je gehört habe!«
»Das ist mir egal«, sagte ich, streckte mich ganz neben ihm aus und legte den Kopf mit einladend entblößter Kehle zurück. »Mach’s noch mal.«
Er murmelte etwas auf Gälisch vor sich hin, schaffte es aber, sich auf einen Ellbogen zu stützen und sich mir zuzuwenden.
Sein Mund war warm und weich, und egal, ob er billigte oder nicht, was er da tat, er machte es wirklich gut.
»Ooooh«, sagte ich und erschauerte ekstatisch, als er die Zähne vorsichtig in mein Ohrläppchen grub.
»»Oh, na ja, wenn das so ist«, sagte er resigniert, nahm meine Hand und preßte sie fest zwischen seine Oberschenkel.
»Ach, du meine Güte«, sagte ich. »Und ich dachte, die Kälte…«
»Es wird gleich warm«, versicherte er mir. »Zieh sie aus, aye?«
Es war ziemlich beschwerlich, weil es so eng war, wir zugedeckt bleiben mußten, um uns keine Frostbeulen an freiliegenden Stellen zu holen, und Jamie mir nur die grundlegendste Hilfestellung geben konnte, doch wir kamen dennoch zufriedenstellend zurecht.
Dies alles nahm allerdings meine Aufmerksamkeit ziemlich in Anspruch, und ich wurde mir erst während einer vorübergehenden Schaffenspause des unangenehmen Gefühls bewußt, beobachtet zu werden. Ich stützte mich auf die Hände und blickte durch den Tannenvorhang nach draußen, sah aber nur den Hain und den schneebedeckten Hang im Hintergrund.
Jamie stöhnte laut.
»Nicht aufhören«, murmelte er mit halbgeschlossenen Augen. »Was ist?«
»Ich dachte, ich hätte etwas gehört«, sagte ich und ließ mich wieder auf seine Brust sinken.
Jetzt hörte ich etwas: Lachen, leise, aber deutlich, direkt über meinem Kopf.
Ich rollte mich in einem Gewirr aus Umhängen und abgelegten Lederkleidern von Jamie herunter, während er fluchte und nach seiner Pistole griff.
Er schob in einem Schwung die Zweige zur Seite und hielt die Pistole nach oben.
Mehrere Gesichter blickten von der Spitze des Felsens herab, und sie grinsten ausnahmslos. Ian und vier Begleiter aus Anna Ooka. Die Indianer murmelten und kicherten und schienen irgend etwas maßlos komisch zu finden.
Jamie legte die Pistole hin und grollte seinen Neffen an.
»Und was zum Teufel machst du hier, Ian?«
»Oh, ich war auf dem Nachhauseweg, um mit dir Weihnachten zu feiern, Onkel Jamie«, sagte Ian und grinste breit.
Jamie sah seinen Neffen mit beträchtlichem Mißfallen an.
»Weihnachten«, sagte er. »So ein Humbug.«
Der Elchkadaver war über Nacht gefroren. Mich schauderte beim Anblick der Eiskristalle, die die ausdruckslosen Augen überzogen - nicht beim Anblick des Todes, es war wunderschön, den großen, dunklen Tierkörper so still und schneeüberkrustet zu sehen, sondern bei dem Gedanken, daß das herbe Stilleben vor meinen Augen gut »Toter Schotte im Schnee« hätte heißen können anstatt »Gefrorener Elch mit diskutierenden Indianern«, hätte ich nicht meiner Besorgnis nachgegeben und mich hinaus in die Nacht und auf die Suche nach Jamie begeben.
Als die Diskussion zur allgemeinen Zufriedenheit abgeschlossen war, informierte mich Ian, daß sie beschlossen hatten, nach Anna Ooka zurückzukehren, uns aber gegen eine Beteiligung am Fleisch des Elches sicher nach Hause bringen würden.
Der Kadaver war nicht ganz gefroren; sie weideten ihn aus und ließen die blaugrauen Windungen der abkühlenden Gedärme in einem blutigen Haufen liegen. Nachdem sie dem Tier den Kopf abgeschlagen hatten, um das Gewicht noch weiter zu verringern, banden zwei der Männer den Kadaver mit zusammengebundenen Läufen an einen Pfahl. Jamie betrachtete sie finster - offenbar hatte
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