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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Seiten eines messerscharfen Nasenrückens an; sie waren mir so vertraut wie mein eigener Handrücken, obwohl ich wußte, daß ich dieses Kind noch nie gesehen hatte.
    Mein Herz schlug irgendwo in der Gegend meiner Mandeln, und die Kälte war mir von den Zehen in die Magengrube gefahren. Da ich dazu ausgebildet war, auch im Fall eines Schocks zu handeln, brachte ich es fertig, auch den Rest seiner Erscheinung zu betrachten - Hemd und Kniehosen von guter Qualität, wenn auch mit Wasser bespritzt,
und lange, bleiche Schienbeine, auf denen schwarze Kleckse wie Schlamm klebten.
    »Blutegel«, sagte ich, während sich aus purer Gewohnheit die professionelle Ruhe über meinen persönlichen Tumult senkte. Es kann doch nicht sein , sagte ich mir, während ich doch gleichzeitig wußte, daß es verdammt noch mal so war . »Es sind nur Blutegel. Sie tun dir nichts.«
    »Ich weiß, was das ist!« sagte er. »Nehmt sie weg!« Er wischte über seinen Unterschenkel und schauderte vor Ekel. »Sie sind widerlich.«
    »Oh, aber nicht sehr«, sagte ich, während ich die Kontrolle über mich zurückgewann. »Manchmal sind sie sogar nützlich.«
    »Das interessiert mich nicht!« bellte er und stampfte frustriert mit dem Fuß auf. »Ich finde sie ekelhaft, nehmt sie weg!«
    »Na, dann hör auf, nach ihnen zu schlagen«, sagte ich scharf. »Setz dich hin, und ich kümmere mich darum.«
    Er zögerte und starrte mich argwöhnisch an, setzte sich dann aber auf einen Felsen und streckte seine mit Egeln bedeckten Beine vor sich aus.
    »Nehmt sie sofort weg!« forderte er.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte ich. »Wo kommst du her?«
    Er musterte mich verständnislos.
    »Du wohnst nicht hier in der Nähe«, sagte ich, denn ich war mir meiner Sache völlig sicher. »Wo kommst du her?«
    Er riß sich mit sichtlicher Anstrengung zusammen.
    »Äh… wir haben in einem Ort namens Salem geschlafen, vor drei Tagen. Das ist die letzte Stadt gewesen, die ich gesehen habe.« Er schüttelte heftig die Beine. »Nehmt sie weg, habe ich gesagt.«
    Es gab diverse Möglichkeiten, Blutegel zu entfernen, und die meisten verursachten größere Schäden als die Egel selbst. Ich sah es mir an; er hatte vier an einem Bein kleben und drei am anderen. Eins der fetten, kleinen Biester war schon fast bis zum Anschlag vollgesogen, es war rund geworden und so angespannt, daß es glänzte. Ich schob ihm meinen Daumennagel unter den Kopf, und er löste sich und fiel mir in die Hand, rund wie ein Kiesel und schwer vor Blut.
    Der Junge starrte ihn an, blaß unter seiner Sonnenbräune, und schauderte.
    »Wir wollen ihn nicht verschwenden,« sagte ich beiläufig und machte mich auf, um den Korb zu holen, den ich unter den Zweigen liegengelassen hatte, als ich mich zwischen den Bäumen durchschob.
    Nicht weit weg sah ich seinen Rock auf dem Boden liegen und dazu die abgelegten Schuhe und Strümpfe. Schlichte Schnallen an den
Schuhen, aber aus Silber, nicht aus Zinn. Guter Stoff, nicht prahlerisch, aber mit etwas mehr Stil geschnitten, als es nördlich von Charleston an der Tagesordnung war. Ich hatte nicht wirklich der Bestätigung bedurft, doch hier war sie.
    Ich schöpfte eine Handvoll Schlamm, drückte den Blutegel sanft hinein und wickelte den klebrigen Klumpen in feuchte Blätter. Erst jetzt bemerkte ich, daß meine Hände zitterten. Der Idiot! Der verlogene, niederträchtige, berechnende… Was zum Teufel hatte ihn getrieben, hierher zu kommen? Und, Gott, was würde Jamie tun?
    Ich kehrte zu dem Jungen zurück, der sich vornübergebeugt hatte und die verbliebenen Blutegel angewidert anblickte. Der nächste war kurz vor dem Abfallen, und als ich mich vor ihn kniete, fiel der Egel herunter und federte sachte auf dem feuchten Boden nach.
    »Au!« sagte der Junge.
    »Wo ist dein Stiefvater?« fragte ich abrupt. Es gab nicht viel, das ihn von seinen Beinen hätte ablenken können, doch diese Frage schaffte es. Sein Kopf fuhr hoch, und er starrte mich erstaunt an.
    Es war ein kühler Tag, doch in seinem Gesicht glänzten kleine Schweißperlen. Es hatte schmalere Wangen und Schläfen, dachte ich, und einen ganz anderen Mund; vielleicht war die Ähnlichkeit doch nicht so ausgeprägt, wie ich dachte.
    »Woher kennt Ihr mich?« fragte er und richtete sich mit einer überlegenen Ausstrahlung auf, die unter anderen Umständen extrem komisch gewirkt hätte.
    »Alles, was ich von dir weiß, ist, daß dein Name William ist. Habe ich recht?« Meine Hände ballten sich an meinen Seiten, und ich

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