Der Ruf Der Trommel
Hause gekommen war.
Mein Herz sank, als ich sah, daß es nicht Jamie und Willie waren, doch auf meine Enttäuschung folgte rasch Erstaunen, als ich sah, wer der Besucher war - Pastor Gottfried, das Oberhaupt der Lutheranischen Gemeinde in Salem. Ich war dem Pastor schon ein paarmal in den Häusern von Mitgliedern seiner Gemeinde begegnet, denen ich ärztliche Besuche abstattete, doch ich war mehr als überrascht, ihn so weit draußen anzutreffen.
Es waren fast zwei Tagesritte von Salem nach Fraser’s Ridge, und der nächste Deutsch-Lutheranische Hof war mindestens fünfzehn unwegsame Meilen entfernt.
Der Pastor war kein geborener Reiter - ich konnte den Schmutz und Staub wiederholter Stürze auf dem Rücken seines schwarzen Rocks verteilt sehen - und ich dachte mir, daß der Notfall, der ihn so weit den Berg herauf führte, dringend sein mußte.
»Platz, dummer Hund!« sagte ich scharf zu Rollo, der seine Zähne fletschte und den Neuankömmling zum großen Unbehagen seines Pferdes anknurrte. »Sei still, sage ich!«
Rollo warf mir einen gelbäugigen Blick zu und ergab sich mit einer Aura beleidigter Würde, als wollte er andeuten, daß er nicht für die Konsequenzen geradestehen würde, wenn ich offensichtliche Bösewichte auf dem Grundstück willkommen heißen wollte.
Der Pastor war ein kleiner, rundlicher Mann mit einem lockigen, grauen Vollbart, aus dem normalerweise sein Gesicht so fröhlich hervorlugte wie die Sonne aus einer Sturmwolke. Heute morgen strahlte er allerdings nicht; seine runden Wangen hatten die Farbe von Talg, die aufgedunsenen Lippen waren bleich, und seine Augen waren vor Erschöpfung rot gerändert.
Er begrüßte mich auf Deutsch, lüftete den Hut und verneigte sich tief aus der Hüfte.
Ich sprach nur ein paar simple Worte Deutsch, konnte aber leicht erkennen, daß er Jamie suchte. Ich schüttelte den Kopf und wies vage auf den Wald, um Jamies Abwesenheit anzudeuten.
Der Pastor sah noch verstörter aus als zuvor und rang fast die Hände vor Sorge. Er sprach ein paar Sätze, die flehend klangen, und als er sah, daß ich ihn nicht verstand, wiederholte er sich, wobei er langsamer und lauter sprach. Sein untersetzter Körper rang um Ausdruck, und er versuchte, mich durch schiere Willenskraft zum Verstehen zu zwingen.
Ich schüttelte immer noch hilflos den Kopf, als hinter mir eine scharfe Stimme erklang.
In forderndem Tonfall sprach Lord John ein paar deutsche Worte und trat vor die Tür. Wie ich erfreut feststellte, hatte er seine Kniehosen angezogen, obwohl er immer noch barfuß war und ihm das blonde Haar lose über die Schultern strömte.
Der Pastor warf mir einen entsetzten Blick zu und ging eindeutig vom Schlimmsten aus, doch Lord John wischte ihm diesen Ausdruck mit einem weiteren deutschen Wortschwall aus dem Gesicht. Der Pastor verneigte sich entschuldigend vor mir und wandte sich dann eifrig an den Engländer. Er stotterte und gestikulierte in seiner Hast, seine Geschichte zu erzählen.
»Was?« sagte ich, da es mir nicht gelungen war, mehr als ein oder zwei Worte aus der teutonischen Sturmflut aufzufangen. »Was in aller Welt sagt er?«
Grey wandte sich mit grimmigem Gesicht an mich.
»Kennt Ihr eine Familie namens Mueller?«
»Ja«, sagte ich, und bei der Nennung des Namens flackerte sofort Alarm in mir auf. »Ich habe Petronella Mueller vor drei Wochen entbunden.«
»Ah.« Grey leckte sich die trockenen Lippen und sah zu Boden; er wollte es mir nicht sagen. »Das - das Kind ist tot, fürchte ich. Und die Mutter auch.«
»Oh, nein.« Ich sank auf die Bank neben der Tür, und absolute Hilflosigkeit überschwemmte mich. »Nein. Das kann nicht sein.«
Grey rieb sich mit der Hand über den Mund und nickte, während der Pastor weitersprach und dabei aufgeregt seine kleinen, fetten Hände schwenkte.
»Er sagt, es waren die Masern.«
Er fuhr auf Deutsch an den Pastor gewandt fort und deutete auf die Reste des Ausschlags, die immer noch in seinem Gesicht zu sehen waren.
Der Pastor nickte nachdrücklich und wiederholte Lord Johns Worte, wobei er sich auf die eigenen Wangen klopfte.
»Aber wozu braucht er Jamie?« fragte ich, und Verwunderung mischte sich unter meine Besorgnis.
»Offensichtlich glaubt er, daß Jamie in der Lage sein könnte, den Mann zur Vernunft zu bringen - Herrn Mueller. Sind die beiden befreundet?«
»Nicht direkt, nein. Jamie hat Gerhard Mueller letztes Frühjahr vor der Mühle ins Gesicht geboxt und ihn niedergeschlagen.«
In Lord Johns von
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