Der Ruf Der Trommel
Weg von Wilmington von Euch gehört«, sagte Grey. Seine Stimme war jetzt beiläufig, er machte Konversation. »Es scheint, als wären Eure Fähigkeiten in der Gegend gut bekannt.«
»Mm.« Ich stampfte und mahlte, und der starke, würzige Geruch des wilden Ingwers erfüllte das Zimmer.
»Man sagt, Ihr seid eine Beschwörerin. Wißt Ihr, was das ist?«
»Alles mögliche, von einer Hebamme oder Ärztin bis hin zu einer Zauberin oder Hellseherin«, sagte ich. »Je nachdem, wer es sagt.«
Er machte ein Geräusch, das wie Gelächter klang, und schwieg dann eine Zeitlang.
»Ihr glaubt also, daß ihnen nichts passiert.« Es war eine Aussage, aber eigentlich stellte er eine Frage.
»Ja. Jamie hätte den Jungen nicht mitgenommen, wenn er es für gefährlich gehalten hätte. Das wißt Ihr doch sicher, wenn Ihr ihn auch nur ein bißchen kennt?« fügte ich hinzu und sah ihn an.
»Ich kenne ihn«, sagte er.
»Aha«, sagte ich.
Er schwieg einen Moment, und man hörte nur, wie er sich kratzte.
»Ich kenne ihn so gut - oder glaube es zumindest -,daß ich es riskiere, William allein mit ihm fortgehen zu lassen. Und daß ich mir sicher bin, daß er William nicht die Wahrheit sagt.«
Ich schüttelte das grüngelbe Pulver auf ein kleines Quadrat aus Baumwollgaze und band es ordentlich zu einem kleinen Beutel zusammen.
»Nein, das wird er nicht, da habt Ihr recht.«
»Und Ihr?«
Ich sah ihn aufgeschreckt an.
»Ihr glaubt wirklich, daß ich das tun würde?« Er betrachtete einen Augenblick lang sorgfältig mein Gesicht und lächelte dann.
»Nein«, sagt er. »Danke.«
Ich schnaubte kurz und ließ den Arzneibeutel in die Teekanne fallen. Ich stellte die Kräutergefäße zurück und setzte mich wieder mit der vermaledeiten Wolle hin.
»Es war großzügig von Euch - Willie mit Jamie gehen zu lassen. Sehr tapfer«, fügte ich etwas widerstrebend hinzu. Ich sah auf; er
starrte auf das lederverhangene Fenster, das als dunkles Rechteck sichtbar war, als könne er hindurchblicken und dahinter zwei Menschen Seite an Seite im Wald sehen.
»Jamie hält jetzt schon seit vielen Jahren mein Leben in der Hand«, antwortete er leise. »Ich kann ihm Williams anvertrauen.«
»Und was, wenn Willie sich besser an einen Stallknecht namens MacKenzie erinnert, als Ihr glaubt? Oder zufällig einen genauen Blick auf sein eigenes Gesicht und auf Jamies wirft?«
»Zwölfjährige Jungen bestechen nicht unbedingt durch die Schärfe ihrer Wahrnehmung«, sagte Grey trocken. »Und ich glaube nicht, daß ein Junge, der sein ganzes Leben in der sicheren Annahme verbracht hat, der neunte Graf von Ellesmere zu sein, auf den Gedanken käme, daß er in Wirklichkeit der außereheliche Nachkomme eines schottischen Stallknechtes sein könnte - oder daß er sich mit diesem Gedanken lange befassen würde, wenn es doch geschähe.«
Ich wickelte schweigend meine Wolle auf und lauschte dem Knistern des Feuers. Ian hustete wieder, wachte aber nicht auf. Der Hund hatte sich bewegt und lag jetzt zusammengerollt als dunkler Fellberg neben seinen Beinen.
Ich wickelte das zweite Knäuel fertig auf und begann ein neues. Noch eins, und der Aufguß würde durchgezogen sein. Wenn Ian mich noch nicht brauchte, würde ich mich dann hinlegen.
Grey hatte so lange geschwiegen, daß es mich überraschte, als er wieder zu sprechen begann. Als ich zu ihm hinüberschaute, sah er mich nicht an, sondern starrte nach oben und suchte erneut zwischen den rauchgefleckten Balken nach einer Vision.
»Ich habe Euch gesagt, daß ich Gefühle für meine Frau empfunden habe«, sagte er leise. »Das habe ich auch. Zuneigung. Vertrautheit. Loyalität. Wir kannten uns ein Leben lang; unsere Väter waren befreundet; ich kannte ihren Bruder. Sie hätte gut meine Schwester gewesen sein können.«
»Und war sie damit zufrieden - Eure Schwester zu sein?«
Er warf mir einen Blick zu, der irgendwo zwischen Verärgerung und Interesse lag.
»Es muß sehr unbequem sein, mit einer Frau wie Euch zusammenzuleben.« Er schloß den Mund, konnte es aber nicht dabei belassen. Er zuckte ungeduldig mit den Achseln. »Ja, ich glaube sie ist mit ihrem Leben zufrieden gewesen. Sie hat nie gesagt, daß es nicht so war.«
Ich gab darauf keine Antwort, atmete aber ziemlich kräftig durch die Nase aus. Er zuckte unangenehm berührt mit den Achseln und kratzte sich am Schlüsselbein.
»Ich bin ihr ein angemessener Ehemann gewesen«, sagte er defensiv. »Daß wir keine eigenen Kinder hatten - das war nicht meine
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