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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Alltagsdingen befand sich ein schwererer Schatz.
    Drei große, flache Kästen am Boden der Kiste machten den Großteil ihres Gewichtes aus. Jede enthielt ein silbernes Eßbesteck, sorgfältig eingeschlagen in graues Antibeschlagtuch. In jedem Kasten lag eine maschinengeschriebene Notiz, auf der die Herkunft und Geschichte des Silbers stand.
    Ein versilbertes Besteck aus Frankreich mit Bändelwerk an den Rändern, Herstellerinsignien DG. Erworben 1842 von William S. Randall. Ein altenglisches Muster, George III., erworben 1776 von Edward K. Randall. Ein Rocaillemuster, von Charles Boyton, erworben 1903 von Quentin Lambert Beauchamp, Hochzeitsgeschenk für Franklin Randall und Claire Beauchamp. Das Familiensilber.
    Mit wachsender Verwunderung fuhr Roger fort und legte die einzelnen Fundstücke vorsichtig neben sich auf den Boden, die Kunst-und Alltagsgegenstände, die Brianna Randalls Geschichte ausmachten. Geschichte. Himmel, warum hatte sie es so genannt?
    Beunruhigung gesellte sich zu seiner Verwunderung, als ihm ein neuer Gedanke kam, und er griff nach dem Deckel und überprüfte den
Adreßaufkleber. Oxford. Ja, sie hatte sie nach hier geschickt. Warum nach hier, wenn sie doch gewußt hatte - oder davon ausgegangen war -,daß er vorhatte, den ganzen Sommer in Schottland zu verbringen? Das hätte er auch, wenn nicht in letzter Minute diese Konferenz dazwischengekommen wäre - und davon hatte er ihr nichts gesagt.
    In der äußersten Ecke steckte ein Schmuckkästchen, ein kleiner, aber schwerer Behälter. Darin befanden sich diverse Ringe. Broschen und Ohrringe. Die Cairngormbrosche, die er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, war da. Halsbänder und -ketten. Zwei Dinge fehlten.
    Das Silberarmband, das er ihr geschenkt hatte - und die Perlen ihrer Großmutter.
    »Auch du lieber Himmel.« Er sah noch einmal nach, nur um ganz sicher zu gehen, schüttete dann das glitzernde Durcheinander aus und verteilte es auf seiner Tagesdecke. Keine Perlen. Ganz sicher keine Kette aus schottischen Barockperlen, durchsetzt mit antiken Goldkügelchen.
    Tragen würde sie sie mit Sicherheit nicht, nicht auf einer Ingenieurstagung in Sri Lanka. Die Perlen waren für sie ein Erbstück, kein Schmuck. Sie trug sie nur selten. Sie waren ihre Verbindung mit…
    »Das hast du nicht getan«, sagte er laut. »Gott, sag mir, daß du es nicht getan hast!«
    Er ließ das Schmuckkästchen auf das Bett fallen und donnerte die Treppe hinunter zum Telefonzimmer.
    Es dauerte ewig, die internationale Vermittlung in die Leitung zu bekommen, und dann folgte noch länger andauerndes elektronisches Knacken und Summen, bis er die Verbindung klicken hörte und ein schwaches Klingeln folgte. Einmal klingeln, zweimal, dann ein Klikken, und sein Herz tat einen Sprung. Sie war zu Hause!
    »Wir bedauern« , sagte eine freundliche, unpersönliche Frauenstimme, »dieser Anschluß wurde stillgelegt oder wird nicht mehr benutzt.«
     
    Gott, das konnte sie doch nicht machen! Oder? Klar konnte sie es, die leichtsinnige Närrin! Wo zum Teufel war sie?
    Er trommelte unruhig mit den Fingern auf seinen Oberschenkel und kochte vor Wut, während es in der transatlantischen Telefonleitung klickte und summte, während seine Verbindung hergestellt wurde, während er sich mit den endlosen Verzögerungen und Mißverständnissen herumschlug, wie sie für Krankenhauszentralen und Sekretärinnen typisch sind. Doch schließlich hörte er eine vertraute Stimme, tief und volltönend.

    »Joseph Abernathy?«
    »Dr. Abernathy? Hier ist Roger Wakefield. Wissen Sie, wo Brianna ist?« fragte er ohne Umschweife.
    Die tiefe Stimme hob sich leicht vor Überraschung.
    »Bei Ihnen. Oder nicht?«
    Ein kalter Schauer durchlief Roger, und er umfaßte den Hörer fester, als könnte er ihn zwingen, ihm die Antwort zu geben, die er hören wollte.
    »Nein«, bemühte er sich zu sagen, so ruhig er konnte. »Sie wollte im Herbst kommen, wenn sie mit ihrem Abschluß fertig ist und eine Tagung in Sri Lanka besucht hat.«
    »Nein. Nein, das stimmt nicht. Sie ist Ende April mit ihren Prüfungen fertiggeworden - ich habe sie zur Feier des Tages zum Essen eingeladen -,und sie hat gesagt, daß sie sofort nach Schottland wollte, ohne ihre Promovierung abzuwarten. Warten Sie, lassen Sie mich nachdenken… ja, das stimmt; mein Sohn Lenny hat sie zum Flughafen gefahren… wann? Ja, am Dienstag… dem siebenundzwanzigsten. Wollen Sie damit sagen, daß sie nicht angekommen ist?« Dr. Abernathys aufgeregte Stimme wurde

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