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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ihren eigenen Hof gesperrt, und eine Wolke aus Fliegen, die hinter der Scheune schwebte, zeigte die geziemende Position eines Misthaufens in ausreichender Entfernung vom Haus an.
    Der einzige Unterschied, den sie zwischen diesem Bauernhof und einem modernen hatte sehen können, war das Fehlen vor sich hinrostender Geräte; eine Schaufel lehnte an der Scheune, und in einem Verschlag standen zwei oder drei zerbeulte Pflugscharen, doch es gab
keinen klapprigen Traktor, kein Kabelgewirr und keine verstreuten Metallteile.
    Die Tiere waren gesund, wenn auch etwas zierlicher als ihre modernen Gegenstücke. Ein lautes »Bäääh!« verriet die Anwesenheit einer kleinen Herde gutgenährter Schafe auf einer Koppel am Hang. Die Tiere trabten neugierig an den Zaun, als sie vorbeikamen; ihre Wollrücken wackelten und ihre gelben Augen glänzten erwartungsvoll.
    »Verwöhnte Biester«, sagte Ian, lächelte aber dabei. »Ihr glaubt auch, jeder der hier heraufkommt, kommt euch füttern, was? Die gehören meiner Frau«, fügte er, an Brianna gewandt, hinzu. »Sie gibt ihnen die ganzen Abfälle aus dem Gemüsegarten, bis man meint, sie müßten platzen.«
    Der Hammel, ein majestätisches Geschöpf mit großen, gewundenen Hörnern, streckte seinen Kopf über den Zaun und gab ein gebieterisches »Beheheh!« von sich, das seine getreue Herde unverzüglich aufgriff.
    »Verdrück dich, Hughie«, sagte Ian im Tonfall nachsichtiger Verachtung. »Noch bist du keine Hammelkeule, aber der Tag wird kommen, aye?« Er verabschiedete den Hammel mit einer Handbewegung und wandte sich mit schwingendem Kilt hügelwärts.
    Brianna fiel einen Schritt zurück und beobachtete ihn fasziniert beim Gehen. Ian trug seinen Kilt mit einer Aura, die für sie völlig neu war; nicht als Kostüm oder Uniform - er war sich des Kleidungsstückes bewußt, doch eher so, als wäre es ein Teil seines Körpers denn ein Bekleidungsgegenstand.
    Dennoch wußte sie, daß es alles andere als alltäglich für ihn war, ihn zu tragen; Jenny hatte die Augen weit aufgerissen, als er zum Frühstück heruntergekommen war; dann hatte sie den Kopf gesenkt und ihr Lächeln in ihrer Tasse versteckt. Der kleine Jamie hatte mit einer schwarzen Augenbraue in Richtung seines Vaters gezuckt, sich einen verständnislosen Blick eingefangen und sich mit einem leichten Achselzucken und einem jener leisen, unterirdischen Geräusche, die man bei schottischen Männern so häufig hört, seinem Würstchen gewidmet.
    Der Stoff des Plaids war alt - sie konnte sehen, daß er in den Kniffen verblichen und am Saum verschlissen war -,doch er war sorgsam aufbewahrt worden. Nach Culloden hatten sie ihn wahrscheinlich versteckt, zusammen mit ihren Pistolen und Schwertern, den Dudelsäcken und ihren Melodien - all den Symbolen ihres unterworfenen Stolzes.

    Nein, nicht ganz unterworfen, dachte sie und spürte ein merkwürdiges, leichtes Ziehen im Herzen. Sie dachte an Roger Wakefield, wie er unter dem grauen Himmel auf dem Schlachtfeld von Culloden neben ihr hockte, sein Gesicht hager und dunkel, die Augen vom Wissen um die Toten ringsum überschattet.
    »Schotten haben ein langes Gedächtnis«, hatte er gesagt, »und sie sind kein sehr nachsichtiges Volk. Da draußen steht ein Clanstein, auf dem der Name MacKenzie steht, und darunter liegt eine Menge meiner Verwandten.« Dann hatte er gelächelt, doch es war nicht im Scherz gewesen. »Ich nehme das nicht so persönlich wie manch anderer, aber ich habe es auch nicht vergessen.«
    Nein, nicht unterworfen. Nicht in tausend Jahren voll Zwist und Verrat, und nicht jetzt. Besiegt, verstreut, aber immer noch lebendig. Wie Ian, verstümmelt, aber aufrecht. Wie ihr Vater, vertrieben, aber immer noch ein Highlander.
    Mit einiger Anstrengung schob sie den Gedanken an Roger von sich und beeilte sich, um mit Ians langen, hinkenden Schritten mitzuhalten.
     
    Sein hageres Gesicht hatte vor Freude aufgeleuchtet, als sie ihn gebeten hatte, ihr Lallybroch zu zeigen. Sie hatten abgesprochen, daß Jamie sie in einer Woche nach Inverness bringen und dafür sorgen würde, daß sie einen Platz auf einem Schiff in die Kolonien fand, und sie hatte vor, diese Zeit auszunutzen.
    Sie wanderten - eiligen Schrittes trotz Ians Bein - durch die Felder zu den niedrigen Hügeln, die das Tal im Norden begrenzten und zu dem Paß in den schwarzen Felsen hin anstiegen. Es war wunderschön hier, dachte sie. Die blaßgrünen Hafer- und Gerstenfelder wogten im wechselnden Licht, Wolkenschatten

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