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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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macht sich deswegen große Sorgen«, sagte er. »Sie meint, du machst ihr vielleicht Vorwürfe.«
    »Vorwürfe?« Sie starrte ihn verwundert an.
    »Wegen Laoghaire.« Seine braunen Augen fixierten die ihren gebannt.
    Ein leiser Schauer überkam Brianna bei dem Gedanken an diese blassen Augen, kalt wie Murmeln, und die haßerfüllten Worte der Frau. Sie hatte sie als schlichte Bosheit abgetan, doch der »Zuhälter« und der »Betrüger« klangen ihr noch unangenehm in den Ohren.
    »Was hat denn Tante Jenny mit Laoghaire zu tun gehabt?«
    Ian seufzte und strich sich eine dichte Strähne seines braunen Haars zurück, die ihm ins Gesicht gefallen war.
    »Sie hat dafür gesorgt, daß Jamie die Frau geheiratet hat. Sie hat es wirklich gut gemeint«, sagte er warnend. »Wir haben Claire schließlich die ganzen Jahre lang für tot gehalten.«
    Sein Tonfall war fragend, doch Brianna nickte nur, den Blick auf den Boden gerichtet, und zog den Stoff über ihrem Knie glatt. Dies waren gefährliche Gefilde; besser, nichts zu sagen, wenn es möglich war. Einen Moment später fuhr Ian for.
    »Das war, als er aus England heimgekommen war - er hat dort nach dem Aufstand ein paar Jahre als Gefangener gelebt…«

    »Ich weiß.«
    Ians Augenbrauen fuhren überrascht in die Höhe, doch er sagte nichts und schüttelte nur den Kopf.
    »Aye, gut. Als er zurückkam war er - verändert. Na ja, das ist verständlich, aye?« Er lächelte kurz und senkte dann den Blick, während seine Finger den Stoff seines Kilts in Falten legten.
    »Es war, als redete man mit einem Geist«, sagte er leise. »Er sah einen an und lächelte und antwortete - aber eigentlich war er nicht da.« Er holte tief Luft, und sie sah die Falten zwischen seinen Augen, tief eingegraben vor Konzentration.
    »Vorher - nach Culloden - da war es anders. Er war schwer verletzt - und er hatte Claire verloren…« Er sah sie kurz an, doch sie schwieg immer noch, und er sprach weiter.
    »Das war eine furchtbare Zeit. Viele Menschen sind damals gestorben; im Kampf, durch Krankheiten oder vor Hunger. Die englischen Soldaten sind mordend und brandschatzend durchs Land gezogen. In so einer Zeit kann man ans Sterben nicht einmal denken, weil man viel zu sehr damit beschäftigt ist, zu überleben und seine Familie am Leben zu erhalten.«
    Ein schwaches Lächeln umspielte Ians Lippen, und seine persönliche Belustigung tauchte den Kummer der Erinnerung in ein seltsames Licht.
    »Jamie hat sich versteckt«, sagte er und wies mit einer abrupten Geste auf den Berghang über ihnen. »Da. Hinter dem großen Ginsterbusch auf halbem Weg zum Gipfel ist eine kleine Höhle. Ich wollte sie dir zeigen, deshalb habe ich dich hergebracht.«
    Ihr Blick folgte seinem Finger den mit Heide und Felsbrocken übersäten Hang hinauf, auf dem Unmengen winziger Blumen wuchsen. Sie sah keine Spur von einer Höhle, doch der Ginsterbusch mit seinen flammendgelben Blüten war unübersehbar und leuchtete wie eine Fackel.
    »Einmal bin ich heraufgekommen, um ihm etwas zu essen zu bringen, als er Fieber hatte. Ich habe ihm gesagt, er müßte mit mir zum Haus herunterkommen, weil Jenny Angst hatte, er würde hier oben ganz allein sterben. Er hat seine Augen aufgemacht, die vor Fieber glänzten, und seine Stimme war so heiser, daß ich ihn kaum hören konnte. Er sagte, Jenny sollte sich keine Sorgen machen; es sähe zwar so aus, als hätte sich alle Welt vorgenommen, ihn umzubringen, doch er hätte nicht vor, es ihnen leicht zu machen. Dann hat er seine Augen wieder zugemacht und ist eingeschlafen.«
    Ian sah sie voll Ironie an. »Ich war mir nicht sicher, ob er wirklich
das letzte Wort behalten würde, wenn es darum ging, ob er sterben würde oder nicht. Also bin ich über Nacht bei ihm geblieben. Aber er hatte recht; er ist ziemlich stur, weißt du?« In seinem Tonfall lag der leise Anflug einer Entschuldigung.
    Brianna nickte, doch der Kloß in ihrem Hals hinderte sie am Sprechen. Statt dessen stand sie auf und ging den Berg hinauf. Ian protestierte nicht, sondern blieb auf seinem Felsen sitzen und beobachtete sie.
    Es war ein steiler Aufstieg, und kleine, dornige Pflanzen verfingen sich in ihren Strümpfen. Als sie sich der Höhle näherte, mußte sie auf allen vieren aufwärts klettern, um auf dem steilen Granithang das Gleichgewicht zu behalten.
    Der Höhleneingang war kaum mehr als eine Spalte im Felsen, deren Öffnung sich nach unten hin zu einem kleinen Dreieck verbreiterte. Sie kniete sich hin und steckte Kopf

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