Der Ruf Der Trommel
der anderen Seite des Berges, dachte er etwas grimmig. Er hatte nicht vergessen, was Myers über die Indianerfrauen erzählt hatte, die sich die Männer ins Bett holten, wie es ihnen gefiel.
Er hatte das kleine Dienstmädchen mit Ian losgeschickt, weil er hoffte, daß die kühle Herbstluft vielleicht ein wenig Farbe in das Gesicht des Mädchens bringen würde. Die Haut des Mädchens war so hell wie Claires, hatte aber den kränklichen, blauweißen Schimmer entrahmter Milch, nicht Claires blasses Leuchten, so satt und fehlerlos wie das seidenweiße Kernholz einer Pappel.
Das Holzstück war fast gespalten; noch ein Hieb und ein kräftiger Ruck an der Axt, und zwei ordentliche Scheite, die einen klaren, scharfen Harzgeruch ausströmten, lagen für die Feuerstelle bereit. Er legte sie sorgfältig auf den wachsenden Holzstapel neben der Vorratskammer und rollte sich das nächste Holzstück unter den Fuß.
Eigentlich hackte er gerne Holz. Es war etwas ganz anderes als die feuchte, mörderische, fußerfrierende Arbeit des Torfstechens, brachte aber dieselbe tiefe Genugtuung über einen anständigen Brennstoffvorrat mit sich, die nur derjenige kennt, der einmal einen Winter in dünnen Kleidern durchgezittert hat. Der Holzstapel reichte jetzt fast bis an die Traufen des Hauses, trockene Scheite aus Kiefernholz und Eiche, Hickory und Ahorn, deren Anblick ihm die Seele genauso erwärmte, wie ihm später das Holz den Körper wärmen würde.
Apropos Wärme; dafür, daß es später Oktober war, war es ein warmer Tag, und sein Hemd klebte ihm schon an den Schultern. Er wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht und betrachtete den feuchten Fleck kritisch.
Wenn es so naß wurde, daß man es auswringen konnte, würde Brianna darauf bestehen, es wieder zu waschen, auch wenn er noch so sehr einwandte, daß der Schweiß ganz sauber war. »Puh«, würde sie mit tadelnd geblähten Nasenlöchern sagen und wie ein Opossum ihre lange Nase kräuseln. Er hatte laut gelacht, als er das zum ersten Mal gesehen hatte; vor Überraschung genauso wie aus Belustigung.
Seine Mutter war vor langer Zeit gestorben, als er noch ein Kind war, und obwohl er sich manchmal in seinen Träumen an sie erinnerte, hatte er ihre Gegenwart zum Großteil durch statische Bilder, Augenblicke ersetzt, die in seinem Gedächtnis erstarrt waren. Aber sie hatte auch immer »Puh!« zu ihm gesagt, wenn er schmutzig nach Hause kam, und ihre lange Nase ganz genauso gekräuselt - er hatte sich blitzartig daran erinnert, als er es bei Brianna sah.
Was für ein Rätsel doch die Blutsverwandtschaft war - wie konnte eine winzige Geste, ein Tonfall die Generationen genauso überdauern wie die handfesteren körperlichen Wahrheiten? Er hatte es schon oft beobachtet, während er seine Nichten und Neffen aufwachsen sah, und hatte ohne großes Nachdenken die Echos der Eltern und Großeltern hingenommen, die sich für kurze Augenblicke zeigten, den Schatten eines Gesichtes, das durch die Jahre hindurch zurückblickte - und wieder im Gesicht der Gegenwart verschwand.
Und doch, jetzt wo er es bei Brianna sah… er konnte ihr stundenlang zusehen, dachte er, und fühlte sich dabei daran erinnert, wie sich seine Schwester jedesmal voller Faszination dicht über ihre Neugeborenen beugte. Vielleicht war das der Grund, warum Eltern ihre Kinder mit solcher Verzauberung beobachteten, dachte er; weil sie all die kleinen Bindeglieder entdeckten, die die Kette des Lebens zwischen ihnen knüpften, von einer Generation zur nächsten.
Er zuckte mit den Achseln und zog das Hemd aus. Er war hier
schließlich zu Hause; es war niemand da, der die Narben auf seinem Rücken sehen konnte, und niemand, den sie etwas angingen, wenn es doch geschah. Die Luft traf kühl und unvermittelt auf seine feuchte Haut, doch ein paar Axthiebe brachten sein Blut wieder zum Pulsieren.
Er liebte Jennys Kinder sehr - vor allem Ian, den kleinen Trottel, dessen Mischung aus Unvernunft und dickköpfiger Courage ihn so sehr an sich selbst in diesem Alter erinnerte. Sie alle waren schließlich mit ihm verwandt. Doch Brianna…
Brianna war sein eigen Fleisch und Blut. Ein unausgesprochenes Versprechen an seine Eltern, das er eingelöst hatte; sein Geschenk an Claire und ihres an ihn.
Nicht zum ersten Mal ertappte er sich dabei, daß er sich Gedanken über Frank Randall machte. Was hatte sich Randall gedacht, wenn er das Kind eines anderen Mannes im Arm hielt - eines Mannes, den zu lieben er keinen Grund hatte.
Was das
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