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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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fing ihre Finger in den seinen auf und küßte sacht ihre Knöchel. Sie machte ein überraschtes Gesicht, dann erschien ein schwaches, warmes Glühen unter ihrer Haut. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn auf den Mund, dann eilte sie Brianna nach, die schon am Rand der Lichtung war.
    »Seid vorsichtig!« rief er ihnen nach. Sie winkten und verschwanden im Wald, und er blieb zurück, ihre Küsse sanft in seinem Gesicht.
    »Deo gratias« , murmelte er noch einmal, während er ihnen nachsah, und diesmal sagte er es aus aufrichtiger Dankbarkeit. Dann machte er sich wieder an die Arbeit.
     
    Er saß auf dem Hackklotz, neben sich auf dem Boden eine Handvoll Nägel mit eckigen Köpfen, die er nacheinander vorsichtig mit dem Hammer in das Ende des Axtstiels trieb. Das trockene Holz spaltete sich und ging auseinander, konnte aber nicht zersplittern, da die Eisenklammer der Axtklinge es zusammenhielt.
    Er drehte an der Klinge, und da sie ihm fest vorkam, stand er auf und ließ sie probehalber mit einem mächtigen Hieb auf den Hackklotz sausen. Sie hielt.
    Vom Sitzen war ihm jetzt kalt geworden, und er zog sich das Hemd wieder an. Hunger hatte er auch, doch er würde auf die jungen Leute warten. Nicht, daß die sich nicht schon selber vollgestopft hätten, dachte er zynisch. Er konnte die Fleischpasteten, die Sarah Woolam machte, beinahe riechen, und ihr würziger Geruch verwob sich in seinen Gedanken mit den realen Herbstgerüchen nach toten Blättern und feuchter Erde.
    Der Gedanke an Fleischpasteten blieb ihm weiter im Hinterkopf, als er mit seiner Arbeit fortfuhr, zusammen mit dem Gedanken an den Winter. Die Indianer sagten, er würde hart werden, der Winter, nicht so wie der letzte. Wie würde es sein, im tiefen Schnee zu jagen? Natürlich gab es in Schottland Schnee, doch oft lag er nur ganz dünn auf dem Boden, und die ausgetretenen Wildwechsel waren schwarz auf den steilen, kahlen Berghängen zu sehen.

    Der letzte Winter war so gewesen. Doch diese Wildnis neigte zu Extremen. Er hatte Geschichten von Schneedecken gehört, die fast zwei Meter dick waren, von Tälern, wo man bis zu den Achseln einsinken konnte, davon, daß das Eis auf den Flüssen so dick gefror, daß ein Bär hinüberspazieren konnte. Er lächelte leicht grimmig bei dem Gedanken an Bären. Tja, sie würden einen ganzen Winter davon essen können, wenn er noch einen erlegen könnte, und das Fell könnte er auch brauchen.
    Sein Bewußtsein driftete langsam in den Rhythmus seiner Arbeit ab, und ein Teil seiner Gedanken war dumpf von dem Text von »Daddy’s Gone A-Hunting« eingenommen, während sich der andere mit einem verlockend lebendigen Bild von Claires Haut beschäftigte, so blaß und berauschend wie Rheinwein auf dem glänzenden Schwarz eines Bärenfells.
    »Daddy’s gone to fetch a skin / To wrap his baby bunting in«, murmelte er tonlos vor sich hin.
    Er fragte sich, wieviel Claire Brianna wirklich erzählt hatte. Sie war merkwürdig, wenn auch nicht unangenehm, diese Art, sich um drei Ecken zu unterhalten; er und das Mädchen waren noch ein wenig schüchtern im Umgang miteinander - sie neigten dazu, persönliche Dinge statt dessen lieber Claire zu sagen und darauf zu bauen, daß diese die Essenz ihrer Worte schon weitersagen würde; daß sie in dieser neuen und umständlichen Herzenssprache ihre Dolmetscherin sein würde.
    So dankbar er auch für das Wunder seiner Tochter war, er würde gern wieder in seinem Bett mit seiner Frau schlafen. Es wurde zu kühl, um es im Kräuterschuppen oder im Wald zu tun - obwohl er zugeben mußte, daß es einen gewissen Charme hatte, nackt in einem riesigen Haufen aus gelbem Kastanienlaub herumzustrampeln, wenn es auch an Würde zu wünschen übrigließ.
    »Aye, ach was«, brummte er und lächelte schwach vor sich hin. »Und wann hat sich ein Mann jemals dabei Sorgen um seine Würde gemacht?«
    Er blickte nachdenklich auf einen Stapel langer, gerader Kiefernstämme, die am Rand der Lichtung lagen, dann auf die Sonne. Wenn Ian schnell genug zurückkam, konnten sie vielleicht noch vor Sonnenuntergang ein gutes Dutzend davon abvieren und einkerben.
    Er stellte die Axt fürs erste ab und ging zum Haus hinüber. Dort schritt er die Maße des neuen Zimmers ab, das er plante, damit sie zurechtkamen, solange das große Haus noch im Bau war. Sie war eine erwachsene Frau, Brianna - sie sollte ihr eigenes Zimmer haben, in
das sie sich zurückziehen konnte, sie und ihre Magd. Und wenn er dann außerdem

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