Der Ruf Der Trommel
an und kratzte sich verträumt an der entblößten, haarigen Hüfte.
»Nicht schlecht, Schätzchen, obwohl ich’s schon lebhafter getrieben
habe. Beweg beim nächsten Mal mehr deinen Arsch, hm?« Er setzte sich hin, gähnte und begann, seine Kleider glattzuziehen. In der Gewißheit, daß er nicht vorhatte, sie aufzuhalten, rutschte sie jetzt zur Bettkante und rollte sich auf ihre Füße. Sie fühlte sich schwindelig und furchtbar kurzatmig, als ob sein massiger Körper immer noch auf sie drückte.
Benommen ging sie zur Tür. Sie war verriegelt. Während sie mit zitternden Händen mit dem Riegel kämpfte, hörte sie ihn hinter sich etwas sagen und fuhr erstaunt herum.
» Was habt Ihr gesagt?«
»Ich habe gesagt, der Ring liegt auf dem Tisch«, sagte er und richtete sich auf, nachdem er seine Strümpfe wiedergefunden hatte. Er setzte sich auf das Bett, fing an, sie anzuziehen, und wies mit einer beiläufigen Handbewegung auf den Tisch, der an der Wand stand. »Da liegt auch Geld. Nimm dir, was du willst.«
Die Oberfläche seines Schreibtisches glich einem Elsternnest, übersät mit Tintenfäßchen, Kleinkram, Schmuckstücken, Verladequittungen, zerzausten Gänsekielen, Silberknöpfen, Papierfetzen, zerknitterten Kleidungsstücken und einem Häufchen Münzen aus Silber und Bronze, Kupfer und Gold, Währungen aus mehreren Kolonien, mehreren Ländern.
»Ihr bietet mir Geld an?«
Er blickte verwundert auf, die hellen Brauen gewölbt.
»Ich bezahle für mein Vergnügen«, sagte er. »Hast du gedacht, das würde ich nicht?«
Alles in der Kajüte kam ihr unnatürlich lebhaft vor, detailliert und ausgeprägt wie Gegenstände in einem Traum, die beim Aufwachen verschwinden würden.
»Ich habe gar nichts gedacht«, sagte sie, und ihre Stimme klang sehr klar, aber auch sehr weit weg, als spräche jemand aus weiter Ferne. Ihr Halstuch lag noch dort auf dem Boden, wo er es hingelegt hatte, neben dem Tisch. Sie ging dorthin, vorsichtig, und versuchte, nicht an die warme Schlüpfrigkeit zu denken, die ihr in Schlieren an den Oberschenkeln herunterlief.
»Ich bin ein ehrlicher Mann - für einen Piraten«, sagte er hinter ihr und lachte. Er stampfte einmal auf dem Deck auf, um seinen Fuß richtig in den Schuh zu bekommen, dann strich er an ihr vorbei und hob den Riegel ganz leicht mit einer Hand.
»Bediene dich, Schätzchen«, sagte er im Hinausgehen mit einer weiteren beiläufigen Handbewegung in Richtung des Tisches. »Es war’s wert.«
Sie hörte, wie sich seine Schritte auf der Kajütstreppe entfernten, hörte eine Lachsalve und eine gedämpfte Bemerkung, als ihm jemand entgegenkam, dann eine Veränderung in seiner Stimme, plötzlich klar und harsch, während sie oben Befehle erteilte, und das Trampeln und Trappeln der Füße über ihr, die sich beeilten, ihnen Folge zu leisten. Wieder ans Werk.
Er lag in einer Schale aus Rinderhorn zusammen mit einer Sammlung von Beinknöpfen, Fäden und anderem Kleinkram. Das paßte zu ihm, dachte sie mit kalter Klarheit. Die reine Raffgier, eine rücksichtslose und brutale Freude am Nehmen, ohne daß er die geringste Ahnung vom Wert des Gestohlenen hatte.
Ihre Hand zitterte; sie sah es mit einem vagen Gefühl der Überraschung. Sie versuchte, sich den Ring zu nehmen, schaffte es nicht und gab auf. Sie hob die Schale hoch und entleerte ihren Inhalt in ihre Tasche. Sie ging die dunkle Kajüttreppe entlang, die Faust fest um die Tasche geballt, die sie wie einen Talisman festhielt. Überall um sie herum waren Seeleute, die zu sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt waren, um mehr als einen Blick voll anzüglicher Spekulation für sie übrig zu haben. Ihre Schuhe standen am Ende des Tisches in der Messe, die Schleifen standen ab, durch einen Lichtstrahl von der Decke erleuchtet.
Sie zog sie an und ging ebenmäßigen Schrittes die Leiter hinauf, über Deck und Fallreep und auf das Dock. Den Blutgeschmack im Mund.
»Anfangs habe ich gedacht, ich könnte einfach so tun, als wäre es nie geschehen.« Sie holte tief Luft und sah mich an. Sie hatte die Hände über ihrem Bauch gefaltet, als wollte sie ihn verstecken. »Aber ich schätze, das wird nicht funktionieren, oder?«
Ich schwieg einen Augenblick und dachte nach. Dies war nicht der Zeitpunkt für falsche Zurückhaltung.
»Wann?« sagte ich. »Wie lange nach… äh, nach Roger?«
»Zwei Tage.«
Meine Augenbrauen hoben sich.
»Warum bist du dir dann so sicher, daß es nicht von Roger ist? Du hast offensichtlich nicht die Pille
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