Der Ruf Der Trommel
Jahr 1715.«
Seine Finger verschoben sich unter dem Trommelfell, und die Schläge wurden tiefer und nahmen einen kriegerischen Ton an, Donnerschläge, die die Worte untermalten. Das Publikum benahm sich immer noch, richtete sich aber auf und beugte sich vor, während es dem Gesang folgte, der die Schlacht von Sheriffmuir im blutigen Detail beschrieb und die Clans nannte, die daran teilgenommen hatten.
»…then on they rushed, and blood out-gushed, and many a puke did fall, man…
They hacked and hashed, while broadswords clashed…«
Als das Lied zu Ende war, schob sie ihre Finger in den Umschlag und zog einen Stapel Fotografien heraus. Alte Schnappschüsse, deren Schwarz-Weiß zu Brauntönen verblichen war. Ihre Eltern. Frank und Claire Randall, die beide auf eine absurde Weise jung aussahen - und furchtbar glücklich.
Sie waren irgendwo in einem Garten. Liegestühle und ein Tisch mit Getränken standen vor einem Hintergrund, der gefleckt war mit diffusem Licht, das durch die Laubbäume fiel. Doch ihre Gesichter waren klar zu erkennen - lachende Gesichter, die vor Jugend glühten. Sie hatten nur Augen füreinander.
In der üblichen Pose, Arm in Arm und gleichzeitig voll Spott über die eigene Förmlichkeit. Und dann Claire, die sich bog vor Lachen über etwas, was Frank gesagt hatte, und ihren weiten, im Wind flatternden Rock festhielt, wogegen ihr lockiges Haar nicht zu bändigen war. Frank, der Claire ein Glas reichte, während sie ihm mit einem derart hoffnungsvollen Blick ins Gesicht sah, daß der Anblick Brianna das Herz schwer machte.
Dann betrachtete sie das letzte Bild, und ihr wurde klar, was sie da sah. Die beiden standen am Tisch, hielten gemeinsam ein Messer fest und lachten, als sie eine ganz offensichtlich selbstgebackene Torte anschnitten. Eine Hochzeitstorte.
»Und zum Schluß eins meiner Lieblingslieder, das Sie bestimmt kennen. Man sagt, ein gefangener Jakobit habe das Lied auf dem Weg zum Galgen nach London an seine Frau in den Highlands geschickt.«
Sie breitete ihre Hände über die Bilder, als wollte sie verhindern, daß jemand sie sah. Ein eisiger Schreck durchfuhr sie. Hochzeitsfotos. Schnappschüsse von ihrer Hochzeit. Natürlich, sie waren in Schottland getraut worden. Reverend Wakefield hatte die Messe zwar nicht selbst halten können, da er kein katholischer Priester war, doch als einer der ältesten Freunde ihres Vaters hatte er den Empfang sicher in seinem Pfarrhaus ausgerichtet.
Ja. Sie schaute durch ihre Finger und erkannte im Hintergrund vertraute Details des alten Hauses. Dann schob sie widerstrebend ihre Hand beiseite und betrachtete noch einmal das junge Gesicht ihrer Mutter.
Achtzehn. Claire hatte Frank Randall mit achtzehn geheiratet. Wie konnte jemand, der so jung war, sich seiner Sache so sicher sein?
»By yon bonnie banks, and by yon bonnie braes,
Where the sun shines bright in Loch Lomond,
Where me and my true love were ever wont to gae…«
Doch Claire war sich sicher gewesen - oder zumindest hatte sie das gedacht. Ihre breite, klare Stirn und ihr feiner Mund ließen keinen Raum für Zweifel; ihre großen, leuchtenden Augen waren auf ihren frischgebackenen Ehemann gerichtet, ohne eine Spur von Zurückhaltung oder bösen Vorahnungen zu verraten. Und dennoch -
»But me and my true love will never meet again
on the bonnie, bonnie banks of Loch Lomond.«
»Doch ich werd’ meine Liebste niemals wiedersehen
an den herrlichen Ufern von Loch Lomond.«
Ohne zu merken, daß sie den Leuten auf die Zehen trat, stolperte Brianna aus der Sitzreihe und flüchtete, bevor irgend jemand ihre Tränen sah.
»Ich kann beim Ruf der Clans noch etwas bei dir bleiben«, sagte Roger, »doch gegen Ende habe ich da zu tun, und dann muß ich dich allein lassen. Geht das?«
»Ja, natürlich«, sagte sie bestimmt. »Mir geht’s gut. Mach dir keine Sorgen.«
Er sah sie etwas besorgt an, sagte aber nichts. Keiner von ihnen hatte bis jetzt ihre Flucht von vorhin erwähnt. Bis er sich einen Weg durch die Fans gebahnt hatte, hatte sie genug Zeit gehabt, eine Damentoilette zu suchen und mit Hilfe von viel kaltem Wasser die Beherrschung wiederzuerlangen.
Den Rest des Nachmittags waren sie über das Festivalgelände spaziert, hatten ein bißchen eingekauft, hatten sich im Freien den Dudelsackwettbewerb angehört und waren halb taub wieder nach innen gegangen, um einem jungen Mann zuzusehen, der zwischen zwei über Kreuz im Boden steckenden Schwertern tanzte. Die Fotos waren
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