Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
nein. Das tue ich nicht.
    Dann war der Moment vorbei, und sie konnte wieder atmen, doch das Adrenalin raste immer noch durch ihre Adern.
    »Die Grahams sind hier!«
    »Die Innes’ sind hier!«
    Die Ogilvys, die Lindsays, die Gordons… und schließlich erstarben die Echos des letzten Rufes. Brianna klammerte sich fest an die Tasche auf ihrem Schoß, als wollte sie ihren Inhalt daran hindern, wie ein Dschinn aus einer Lampe zu entfliehen.
    Wie konnte sie nur? dachte sie, und dann, als sie Roger ins Licht treten sah, Feuer im Haar, bodhran in der Hand, überlegte sie es sich anders. Was hätte sie sonst tun sollen?

5
    Gestern in zweihundert Jahren
    »Du hast ja deinen Kilt gar nicht an!« Gayle verzog enttäuscht den Mund.
    »Falsches Jahrhundert«, sagte Roger und lächelte auf sie herab. »Bißchen zugig für einen Spaziergang auf dem Mond.«
    »Du mußt mir das beibringen.«
    »Was denn?«
    »Wie du das R rollst.« Sie runzelte die Stirn und machte einen ernstgemeinten Versuch, der sich anhörte wie ein Motorboot im ersten Gang.
    »Sehrrr gut«, sagte er und bemühte sich, nicht zu lachen. »Weiterrr so, Übung macht den Meisterrr.«
    »Hast du wenigstens deine Gitarre mitgebracht?« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte, ihm über die Schulter zu blicken. »Oder diese starke Trommel?«
    »Die ist im Auto«, sagte Brianna, steckte die Schlüssel ein und stellte sich neben Roger. »Wir fahren danach direkt zum Flughafen.«
    »Ach schade; ich dachte, wir könnten nachher noch ein bißchen rumhängen und singen. Kennst du ›This Land is your Land‹, Roger? Oder stehst du mehr auf Protestsongs? Na ja, wahrscheinlich nicht, weil du ja Engländer - huch, ich meine Schotte bist. Bei euch gibt’s doch nichts zu protestieren, oder?«
    Brianna warf ihrer Freundin einen leicht entnervten Blick zu. »Wo ist Onkel Joe?«
    »Im Wohnzimmer, er traktiert den Fernseher mit den Füßen«, sagte Gayle. »Soll ich Roger bei Laune halten, während du ihn suchst?« Sie hängte sich bei Roger ein und klimperte mit den Wimpern.
    »Ich habe die halbe Technik-Uni von Massachusetts hier, und keiner kann den bescheuerten Fernseher in Gang bringen?« Dr. Joseph Abernathy warf den Jugendlichen, die grüppchenweise in seinem Wohnzimmer verstreut waren, anklagende Blicke zu.
    »Du meinst Elektrotechnik , Paps«, erklärte ihm sein Sohn überlegen.
»Wir studieren Maschinenbau. Einen Maschinenbauingenieur zu bitten, dir deine Glotze zu reparieren, ist so, als wolltest du, daß sich ein Gynäkologe die wunde Stelle an deinem Schwa- au!«
    »Oh, tut mir leid«, sagte sein Vater und blickte ungerührt über den Rand seines goldenen Brillengestells. »War das dein Fuß, Lenny?«
    Unter allgemeinem Gelächter hüpfte Lenny auf einem Bein durchs Zimmer und umklammerte Fuß und Turnschuh in gespielter Agonie.
    »Brianna, Schätzchen!« Der Doktor erblickte sie, strahlte übers ganze Gesicht und überließ den Fernseher seinem Schicksal. Er umarmte sie stürmisch, ohne sich im geringsten daran zu stören, daß sie ihn um gute zehn Zentimeter überragte. Dann ließ er sie wieder los und sah Roger an. Seine Gesichtszüge hatten einen Ausdruck wachsamer Höflichkeit angenommen.
    »Ist das dein Freund?«
    »Das ist Roger Wakefield«, sagte Brianna und warf dem Doktor einen Blick aus leicht zusammengekniffenen Augen zu. »Roger, Joe Abernathy.«
    »Guten Tag, Dr. Abernathy.«
    »Sagen Sie Joe zu mir.«
    Sie begrüßten sich mit einem abwägenden Handschlag. Der Doktor musterte ihn von oben bis unten. Aus seinen braunen Augen sprach bei aller Wärme sehr viel Scharfsinn.
    »Brianna, Schätzchen, kannst du mal Hand an diese Schrottkiste legen und nachsehen, ob du sie wieder zum Leben erwecken kannst?« Er wies mit dem Daumen auf das 24-Zoll-Gerät, das stumm auf der Fernsehbank stand. »Gestern abend hat er noch wunderbar funktioniert, und heute… pffft!«
    Brianna warf dem großen Farbfernseher einen zweifelnden Blick zu, suchte in ihrer Jeanstasche herum und brachte ein Schweizer Armeemesser zum Vorschein.
    »Also, ich kann mir ja mal die Kontakte ansehen.« Sie klappte den Schraubenzieher auf. »Wieviel Zeit haben wir noch?«
    »Eine halbe Stunde vielleicht«, rief ein Student mit Bürstenschnitt. Er sah zu der Gruppe hinüber, die sich um das kleine Schwarzweißgerät auf dem Küchentisch drängte. »Wir sind immer noch im Kontrollzentrum in Houston - geschätzte Landungszeit in vierunddreißig Minuten.« Die aufgeregte Stimme des

Weitere Kostenlose Bücher