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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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verspannt und starr unter meinen Fingern.
    Ich hatte keine Ahnung, wie ich anfangen, was ich sagen sollte. Vielleicht sollte ich einfach schweigen, dachte ich. Wir waren beide immer noch aufgeregt, obwohl wir unser Bestes getan hatten, vor Brianna die Ruhe zu bewahren.
    Ich konnte spüren, wie die Wut knapp unter seiner Haut brodelte. Völlig verständlich, doch Wut ist so flüchtig wie Kerosin - das man unter Druck in Flaschen gefüllt hat, ohne ein Ziel, auf das man es loslassen könnte. Ein unvorsichtiges Wort meinerseits konnte schon ausreichen, um eine Explosion auszulösen. Und wenn sie mir um die Ohren flog, würde ich entweder in Tränen ausbrechen oder ihm
an die Kehle gehen - meine eigene Stimmung war alles andere als stabil.
    Wir wanderten ziemlich lange, zwischen den Bäumen hindurch bis zu dem toten Maisfeld, an dessen Rand entlang und zurück, und bewegten uns die ganze Zeit auf leisen Sohlen durch ein Minenfeld des Schweigens.
    »Jamie«, sagte ich schließlich, als wir am Rand des Feldes ankamen, »was hast du mit deinen Händen gemacht?«
    »Was?« Er fuhr erschrocken zu mir herum.
    »Deine Hände.« Ich fing eine von ihnen auf und nahm sie zwischen meine eigenen. »So verletzt man sich nicht beim Schornsteinmauern.«
    »Ah.« Er blieb still stehen und ließ mich die geschwollenen Knöchel seiner Hand berühren.
    »Brianna«, sagte er. »Sie - sie hat dir nichts von dem Mann erzählt? Hat sie dir seinen Namen gesagt?«
    Ich zögerte - und war verloren. Er kannte mich sehr gut.
    »Sie hat ihn dir gesagt, oder?« In seiner Stimme drohte Gefahr.
    »Ich mußte ihr versprechen, ihn dir nicht zu sagen«, platzte ich heraus. »Ich habe ihr gesagt, daß du merken würdest, daß ich etwas vor dir verberge; aber Jamie, ich hab’s versprochen - zwing mich bitte nicht, ihn dir zu sagen!«
    Er schnaubte wieder, von halb belustigtem Abscheu erfüllt.
    »Aye, ich kenne dich gut, Sassenach; du könntest nichts vor irgend jemandem geheimhalten, der dich auch nur im geringsten kennt. Sogar unser kleiner Ian kann dich lesen wie ein Buch.«
    Er winkte ab.
    »Belaste dein Gewissen nicht. Sie soll es mir selbst sagen, wenn sie will.« Seine verletzte Hand krümmte sich langsam auf seinem Kilt, und ein kleiner Schauer lief mir über den Rücken.
    »Deine Hände«, sagte ich noch einmal.
    Er holte tief Luft und hielt sie mit dem Handrücken nach oben vor sich. Er spannte sie langsam an.
    »Erinnerst du dich, Sassenach, als wir uns anfangs kennengelernt haben? Dougal hat mich so gereizt, daß ich dachte, ich müßte auf ihn loshämmern, doch zu dem Zeitpunkt konnte ich es nicht. Du hast mir gesagt ›Schlag auf irgend etwas ein, dann geht’s dir besser‹.« Er lächelte mich schief und ironisch an. »Und ich habe gegen einen Baum geschlagen. Es hat wehgetan, aber du hattest recht, nicht wahr? Es ging mir besser, zumindest fürs erste.«
    »Oh.« Ich atmete auf, erleichtert, daß er nicht vorhatte, weiter
in mich zu dringen. Sollte er doch warten; ich bezweifelte, daß ihm schon aufgegangen war, daß seine Tochter genauso stur sein konnte wie er selbst war.
    »Hat sie - hat sie dir erzählt, was passiert ist?« Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, doch das Zögern in seiner Stimme war unüberhörbar. »Ich meine -« Er holte mit einem kräftigen Zischen Luft. »Hat der Mann ihr weh getan?«
    »Nein, nicht körperlich.«
    Ich zögerte meinerseits und bildete mir ein, ich könnte das Gewicht des Ringes in meiner Tasche spüren, obwohl das natürlich nicht stimmte. Brianna hatte mich nur gebeten, Bonnets Namen für mich zu behalten, doch ich würde Jamie auch die Details nicht weitersagen, die sie mir erzählt hatte, es sei denn, er fragte danach. Und ich glaubte nicht, daß er fragen würde; es war das letzte, was er hören wollte.
    Er fragte nicht; murmelte nur auf Gälisch vor sich hin und ging mit gesenktem Kopf weiter.
    Nachdem die Stille einmal gebrochen war, stellte ich fest, daß ich sie nicht mehr ertragen konnte. Besser zu explodieren als zu ersticken. Ich nahm meine Hand von seinem Arm.
    »Was denkst du gerade?«
    »Ich frage mich - ob es genauso schlimm ist - vergewaltigt zu werden… wenn es - wenn es nicht… wenn man nicht… verletzt wird.« Er zuckte unruhig mit den Schultern, als wäre ihm sein Rock zu eng.
    Ich wußte genau, woran er dachte. Das Gefängnis von Wentworth und die verblichenen Narben, die seinen Rücken überzogen, ein Netz aus furchtbaren Erinnerungen.
    »Schlimm genug, schätze ich«, sagte

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